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höheren Offiziere haben sich bereits an Tiso drangehängt. Weißt du, Jozef, für sie bedeutet die Entzweiung mit dem tschechischen Generalstab die Aussicht auf einen schnellen Aufstieg auf der Karriereleiter!»
«Die Armee hat sich nicht aufgelehnt, weder die Offiziere noch die Truppe. Als neue slowakische Armee haben sie der neuen unabhängigen Regierung Gehorsam zu leisten, das ist ganz normal.»
«Wir wollten die Unabhängigkeit schon seit langem. Ist doch egal, wie wir sie bekommen haben! Die Tschechen haben es nicht anders gewollt! Hätten sie uns besser behandelt, wäre es nicht so weit gekommen. Du weißt ganz genau, dass die Tschechen immer und überall auf den höchsten Posten gesessen haben. In der Regierung, in der Armee, der Verwaltung, überall! Das war doch abartig!»
«Jedenfalls gab es nur diese eine Möglichkeit: Hätte Tiso Hitler nicht zugestimmt, wären wir von ihnen genauso einverleibt worden wie die Tschechen. Gut, ich weiß schon, dass es eher einer Belagerung gleicht, aber wir haben immerhin mehr Autonomie als die Tschechen.»
«Weißt du was, in Prag haben sie Deutsch zur offiziellen Sprache gemacht! Alle tschechischen Universitäten werden geschlossen, sie verbieten alle tschechischen kulturellen Veranstaltungen, sie haben sogar Studenten erschossen! Ist das etwa, was du wolltest? Glaub mir, es war die beste Lösung …»
«Es war die einzige Lösung, Jozef!»
«Warum hätten wir kämpfen sollen, wo doch Hácha selbst die Kapitulation wollte? Wir haben nur den Befehlen gehorcht.»
«Beneš, ja, ja, aber er sitzt in London und führt in aller Ruhe von dort den Kampf weiter, das ist deutlich einfacher. Wir vor Ort sind die Gelackmeierten!»
«Außerdem ist das alles seine Schuld. Er hat in München unterschrieben, oder etwa nicht? Er hat uns nicht losgeschickt, um für die Sudeten zu kämpfen, das weißt du doch wohl noch! Damals hätte unsere Armee es vielleicht – ich sage bewusst vielleicht! – noch mit der deutschen Armee aufnehmen können … Aber was können wir jetzt noch ausrichten? Hast du die Zahlen der Luftwaffe gesehen? Weißt du, wie viele Bomber sie im Einsatz haben? Ihrem Angriff konnte man nichts entgegensetzen. Sie hätten uns ausgelöscht.»
«Ich bin nicht bereit, für Hácha zu sterben, und auch nicht für Beneš!»
«Auch nicht für Tiso!»
«Schön und gut, es gibt hier ein paar Deutsche in Uniform, die durch die Stadt spazieren. Na und? Ich sage nicht, dass ich das gut finde, aber es ist immer noch besser als eine echte militärische Okkupation. Frag mal deine tschechischen Freunde!»
«Ich habe nichts gegen die Tschechen, aber sie haben uns immer behandelt wie Hinterwäldler. Als ich einmal in Prag war, haben die Leute so getan, als würden sie mich nicht verstehen – wegen meines Akzents! Sie haben uns immer verachtet. Jetzt können sie sich mit ihren neuen Landsleuten herumschlagen! Mal sehen, ob ihnen der deutsche Akzent besser gefällt!»
«Hitler hat bekommen, was er wollte. Er hat gesagt, er würde keine weiteren territorialen Forderungen mehr stellen. Und wir haben uns niemals in der deutschen Zone befunden. Ohne ihn hätten uns die Ungarn geschluckt, Jozef! Man muss den Tatsachen ins Auge blicken.»
«Was willst du denn machen? Einen Staatsstreich anzetteln? Kein General hätte den Mumm dazu! Und was passiert dann? Sollen wir die deutsche Armee ganz alleine zurückdrängen? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass uns Frankreich und England plötzlich zu Hilfe kommen. Wir haben ein Jahr lang auf sie gewartet!»
«Glaub uns, Jozef, du hast eine ruhige Arbeit, geh zurück nach Žilina, such dir ein nettes Mädchen und vergiss die ganze Geschichte. Letzten Endes haben wir es doch gar nicht so schlecht getroffen.»
Gabčik hat sein Bier ausgetrunken. Es ist schon spät, er und seine Kameraden sind ein wenig beschwipst, draußen schneit es. Er steht auf, verabschiedet sich bei allen und holt seinen Mantel an der Garderobe ab. Während ihm ein junges Mädchen den Mantel hinhält, kommt einer seiner Kameraden vom Tisch auf ihn zu und flüstert ihm ins Ohr:
«Hör mal, Jozef, falls es dich interessiert: Als die tschechische Armee nach der Ankunft der Deutschen aufgelöst wurde, weigerten sich einige, zum normalen Leben als Zivilisten zurückzukehren. Wahrscheinlich aus Patriotismus oder weil sie nicht arbeitslos werden wollten, was weiß ich. Jedenfalls sind sie nach Polen aufgebrochen und haben eine tschechoslowakische Befreiungsarmee ins Leben
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