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HHhH

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Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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nicht einmal, wenn Heydrich beschließen sollte, die Zuwiderhandelnden auf dem Platz in der Altstadt bei lebendigem Leibe häuten zu lassen. Wer dem Schwarzmarkt zuarbeitet, ist für den Hunger seines Volkes verantwortlich, und in diesem Punkt unterstützt das Volk Heydrichs Maßnahmen. Ihm gelingt damit eine politische Glanzleistung: Terror auszuüben und gleichzeitig eine populäre Maßnahme einzuführen.
    Sobald die Bauern aufgebrochen sind, möchte sein Staatssekretär Karl Hermann Frank auf der Stelle eine Liste der zu konfiszierenden Bauernhöfe erstellen. Doch Heydrich ermahnt ihn, seine Gelüste zu zügeln: Konfisziert werden nur die Bauernhöfe derjenigen Landwirte, die nicht germanisiert werden können.
    Schon richtig, man ist ja schließlich nicht bei den Sowjets!

139
    Die Szene spielte sich vermutlich in Heydrichs holzgetäfeltem Büro ab. Heydrich ist mit seinen Akten beschäftigt. Es klopft an der Tür. Ein Mann in Uniform betritt mit panischem Gesichtsausdruck und einem Schriftstück in der Hand den Raum.
    «Herr Obergruppenführer, wir haben gerade die Nachricht erhalten: Deutschland hat den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt!»
    Heydrich zuckt nicht einmal mit der Wimper. Der Mann reicht ihm die Depesche. Heydrich liest sie schweigend.
    Ein weiterer Moment der Stille.
    «Wie lauten Ihre Anweisungen, Herr Obergruppenführer?»
    «Schicken Sie eine Brigade zum Bahnhof. Sie soll Wilsons Statue demontieren.»
    «…»
    «Morgen früh will ich diesen Schandfleck nicht mehr sehen. Zack, zack, an die Arbeit, Major Pomme!»

140
    Präsident Beneš weiß, dass er zu seinen Verantwortlichkeiten stehen muss, und bereitet sich auf den möglichen Ausgang der Operation «Anthropoid» vor. Sollte sie gelingen, ist mit härtesten Vergeltungsmaßnahmen von Seiten der Deutschen zu rechnen. Regieren bedeutet, Entscheidungen zu treffen, und seine Entscheidung ist gefallen. Doch eine Entscheidung zu treffen, ist eine Sache, sie umzusetzen eine andere. Und Beneš, der 1918 zusammen mit Tomáš Masaryk die Tschechoslowakei gründete und zwanzig Jahre später das Desaster von München nicht verhindern konnte, weiß, dass die Last der Geschichte enorm schwer wiegt und das Urteil der Geschichte das schlimmste von allen ist. Von nun an gelten alle seine Bemühungen der Wiederherstellung des Landes, das er geschaffen hat. Leider fällt die Befreiung der Tschechoslowakei nicht in sein Ressort. Die Royal Air Force und die Rote Armee werden darüber entscheiden, welche Waffen zum Einsatz kommen. Sicher, Beneš konnte der RAF siebenmal mehr Piloten zur Verfügung stellen als Frankreich. Und den Rekord im Abschießen feindlicher Flugzeuge hält Josef František: Das Ass der englischen Luftwaffe ist ein Tscheche. Darauf ist Beneš ziemlich stolz. Doch er weiß auch, dass die Bedeutung eines Staatschefs in Kriegszeiten einzig an der Anzahl seiner Divisionen gemessen wird. Daher beschränken sich seine Aktivitäten beinahe ausschließlich auf eine entwürdigende diplomatische Strategie: den einzigen zwei Mächten, die sich dem deutschen Wüterich bislang widersetzen konnten, bereitwillig Pfandleihen zur Verfügung zu stellen, ohne zu wissen, ob sie überhaupt imstande sind, Deutschland zu besiegen. Es stimmt, dass England 1940 den Bombenangriffen standhalten konnte und den Luftkrieg zumindest vorübergehend gewann. Es stimmt, dass die Rote Armee, nachdem sie bis Moskau zurückweichen musste, dem weiteren Vordringen der Deutschen kurz vor deren Ziel Einhalt gebieten konnte. Nachdem England und die UDSSR ihre eigene Vernichtung jeweils um Haaresbreite verhindern konnten, scheinen beide imstande zu sein, dem bis dato unbesiegbaren Reich Kontra zu geben. Doch es ist Ende 1941. Die Wehrmacht steht quasi auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Bislang stellte noch keine bedeutende Niederlage ihre offenbare Unbesiegbarkeit in Frage. Stalingrad ist noch weit weg, sehr weit weg sind die Bilder der besiegten deutschen Soldaten, die gedemütigt auf den verschneiten Boden blicken. Beneš bleibt nur, auf einen ungewissen Ausgang zu setzen. Natürlich gibt der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten berechtigten Anlass zur Hoffnung, aber die GIS haben den Atlantik noch nicht überquert, das wird noch dauern, und Japan hält sie so in Schach, dass sie das Schicksal eines kleinen mitteleuropäischen Landes hintanstellen werden. Beneš macht also seine eigene pascalsche Wette – sein Gott hat zwei Köpfe: England und die UDSSR, und er setzt auf ihr

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