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HHhH

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Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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Überleben. Doch beide Köpfe zugleich für sich einzunehmen, ist nicht einfach. England und die Sowjetunion sind natürlich Alliierte, und Churchill legt in militärischen Belangen trotz seines angeborenen Antikommunismus während des gesamten bisherigen Kriegsgeschehens gegenüber den bärbeißigen Sowjets eine unerschütterliche Loyalität an den Tag. Was nach dem Krieg geschieht, wenn es ein Danach gibt und wenn die Alliierten gewinnen, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
    Beneš wagt mit «Anthropoid» einen großen Coup, um die beiden europäischen Giganten zu beeindrucken. London hat für ihn gebürgt und unterstützt ihn logistisch, und die Operation wurde in enger Zusammenarbeit mit London auf die Beine gestellt. Doch Beneš möchte nicht riskieren, die empfindlichen Russen zu kränken, und hat daher beschlossen, auch Moskau über die anstehende Operation «Anthropoid» zu informieren. Jetzt steht er unter Zugzwang: Churchill und Stalin wollen Taten sehen. Die Zukunft der Tschechoslowakei liegt in ihren Händen; man sollte sie besser nicht enttäuschen. Sollte die Rote Armee sein Land befreien, möchte er Stalin gegenüber ganz besonders als glaubwürdiger Verhandlungspartner auftreten, weil er sich vor dem zukünftigen Einfluss der tschechischen Kommunisten fürchtet.
    Vermutlich geht Beneš das alles durch den Kopf, als ihm sein Sekretär meldet:
    «Herr Präsident, Oberst Moravec ist in Begleitung zweier junger Leute eingetroffen. Er sagt, sie hätten einen Termin, aber sein Besuch steht nicht auf dem Plan für heute.»
    «Schicken Sie sie herein.»
    Gabčik und Kubiš wurden in London von einem Taxi abgeholt, ohne zu wissen, wohin man sie brachte, und jetzt werden sie vom Präsidenten persönlich empfangen. Das Erste, was ihnen auf seinem Schreibtisch ins Auge fällt, ist eine kleine Nachbildung einer Spitfire aus Zinn. Sie salutieren ehrfürchtig. Beneš wollte sie vor ihrer Abreise kennenlernen. Doch er wollte nicht, dass ein offizielles Dokument Spuren dieses Treffens hinterlässt, denn Regieren bedeutet auch, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Jetzt stehen die beiden Männer ihm gegenüber. Während er zu ihnen über die historische Bedeutung ihrer Mission spricht, mustert er sie genau. Er ist erstaunt über ihr jugendliches Aussehen – besonders Kubiš wirkt sehr jung, obwohl er nur ein Jahr jünger ist als Gabčik – und über die rührende Schlichtheit ihrer Überzeugung. Auf einmal vergisst er für einige Minuten seine geopolitischen Überlegungen, denkt nicht mehr an England oder die UDSSR, weder an München noch an Masaryk, noch an Kommunisten, noch an die Deutschen und kaum noch an Heydrich. Er ist vollständig in die Betrachtung der beiden Soldaten versunken, der beiden jungen Männer, von denen er weiß, dass ihre Überlebenschancen, egal, wie ihre Mission ausgehen wird, nicht einmal eins zu tausend stehen.
    Ich weiß nicht, was die letzten Worte waren, die er an sie richtete. «Viel Glück» oder «Möge Gott Sie beschützen» oder «Die freie Welt zählt auf Sie» oder «Die Ehre der Tschechoslowakei liegt in Ihren Händen», wahrscheinlich irgendetwas in der Art. Nach Moravec stehen Beneš Tränen in den Augen, als Gabčik und Kubiš sein Büro verlassen. Zweifellos durchflutet ihn angesichts der bevorstehenden Ereignisse bereits ein bedrohliches Gefühl der Vorahnung. Die kleine Spitfire reckt unbeeindruckt die Nase in die Luft.

141
    Seit Lina Heydrich ihrem Mann nach Prag gefolgt ist, schwebt sie im siebten Himmel. In ihren Memoiren schwärmt sie: «Ich bin eine Prinzessin und lebe in einem märchenhaften Land.»
    Weshalb?
    Zum einen ist Prag in der Tat eine märchenhafte Stadt. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich Walt Disney für Dornröschens Märchenschloss von der Tyn-Kathedrale inspirieren ließ.
    Zum anderen ist Lina in Prag die Königin. Ihr Mann wurde von heute auf morgen quasi zum Staatschef befördert. In ihrem Märchenland ist er Hitlers Vizekönig und lässt seine Frau an allen Annehmlichkeiten teilhaben, die ihm seine Position bietet. Als Ehefrau des Reichsprotektors genießt Lina ein Ansehen, von dem sie und ihre Eltern, das Ehepaar von Osten, nicht zu träumen gewagt hätten. Vorbei die Zeit, in der sie ihrem Vater die Stirn bot, als der ihre Verlobung mit Reinhard lösen wollte, weil man ihn aus der Marine geworfen hatte. Jetzt gleicht Linas Leben dank Heydrich einer endlosen Abfolge von Empfängen, Einweisungen und offiziellen Veranstaltungen, bei denen ihm

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