Hi, Society
ich mein Hollywood-Hotelzimmer stornieren konnte, mein Buchvertrag zum ›Einmaleins der Schauspielstimme‹ lag auf Eis und Erik … Na, wollen wir das Thema mal nicht vertiefen. Ich meine, schließlich ist das alles bloß eine Phase. Gerda Rogers hatte völlig recht in ihrer Astro-Show. Der negative Uranus-Saturn-Einfluss ist an allem Schuld. Aber ich lasse mich davon nicht unterkriegen, weil nämlich schon bald Merkur in mein Zeichen tritt, vermutlich im August und dann meinem kometenhaften Aufstieg nichts im Wege steht und sich meine Beziehungsprobleme quasi nebenbei regeln. Weil dann Erik nämlich aus einem schwierigen Fischetrigon wandert, oder war’s das Marsquadrat? Egal, ich muss bloß abwarten, bis sich alles von selbst regelt. Aber doppelt hält besser, und so habe ich neben den Sternen auch noch auf meine sündig-neuen Marabufeder-Pantoletten gesetzt. Man merkt überhaupt nicht, dass es mit Selbstauslöser gemacht wurde, das Foto. Es sieht richtig professionell aus, wie ich da auf dem schwarzen Bösendorfer liege, mit nichts außer … Nein, also das geht jetzt doch ein wenig zu weit.
Wo waren wir stehen geblieben? Die Notizen.
Wo konnten Sie sein, falls sie überhaupt noch da waren, geschweige denn eine solche Brisanz enthielten, wie Marie hatte anklingen lassen, als ich während einer Therapie den Zettelblock zur Seite legte, um Platz für meine Materialien zu machen. Sie war frisch operiert und hatte schreckliche Angst, ihre Karriere durch diese Knötchen womöglich für immer zu verlieren. Sie hatte Panik. Panik, vergessen zu werden, Panik, ihre Rolle zu verlieren, Panik, nie mehr wieder spielen zu können und vermutlich reichte das als Grund für ihre Ankündigung, sie werde über ihre Vergangenheit auspacken. Alles, was sie wollte, war Aufmerksamkeit, Publicity. Ich vermute, im Grunde ging es ihr immer bloß darum, gesehen zu werden. Doch so sehr sie sich auch abmühte, sie sahen sie nicht, jene, von denen sie es sich am meisten erhoffte: ihre Eltern. Und sie litt darunter. Aber nein, sie würde es niemals zugegeben. Sie brachte ihren Eltern allen Hass, den sie aufbringen konnte, entgegen, doch im Grunde war da dieses Kind, das sich nach nichts mehr sehnte, sich nichts mehr wünschte als die Anerkennung jener, die sie verstoßen hatten. Abgefunden mit diesem zugegeben prächtigen Stadtpalais, das schon seit Jahrhunderten in Familienbesitz war. Sie sollte zumindest standesgemäß wohnen, wenn sie schon nicht standesgemäß leben konnte, und man musste sich nicht länger um sie kümmern, wenn man sie doch mehr als großzügig versorgt hatte. So hatte Marie es zumindest formuliert. An einem dieser Tage, da sie ihre Maske für den Bruchteil eines Augenblicks fallen ließ und jene Stimme sprechen ließ, welche sich hinter ihrer perfektioniert-überartikulierten Burgtheatersprache verbarg. Sie war formlos, ohne jene Schnörkel. Direkt und deutlich erzählte sie dann von ihrer rücksichtslos-reichen Kindheit, der früh erfahrenen Ablehnung durch ihre adeligen Eltern, dem letztendlichen Bruch mit ihnen, all den Schwierigkeiten und den Schuldgefühlen, die sie seit dem Selbstmord eines Freundes mit sich herumtrug und von der Angst, den Erwartungen des Publikums nicht gewachsen zu sein. »Kein Stein wird auf dem anderen bleiben, wenn die News das druckt«, hatte sie zu mir gesagt und die handschriftlichen Notizen in eines der sorgfältig aneinandergereihten Bildbände über Meisterwerke der Malerei gesteckt, welche ich eben erfolglos durchsuche.
Van Eyk, Van Gogh, Valaperta, Venezianische Malerei.
Ich stecke die schweren Bücher zurück und öffne eine der im Regal versenkten Laden, die bis oben hin mit einem ganzen Stapel bunter Karten gefüllt ist. Es sind alles Einladungen zu diversen VIP-Events von Wien bis Warschau. Ausstellungen, Shop-Eröffnungen, Bälle, Filmpreise, Mode-Awards – und dieser hier liegt noch in der Zukunft. Darüber hinaus ein paar alte Fotos, Zeitungsausschnitte, in denen Marie erwähnt wird. Offensichtlich hat sie 1994 den Opernball eröffnet, mit dem Herrn von und zu Melnhof – da war sie noch kein A-Promi und ihr Busen übrigens noch B – ein Artikel über den Selbstmord dieses Saarsgord, der vor Jahren durch alle Medien ging. Er war der Anwalt jener Wirtschaftsjournalistin, welche den Finanzminister der Vergewaltigung bezichtigte. Doch kurz vor seinem Tod war er in eine Schlägerei in der Loos Bar verwickelt, weshalb ihn seine Kanzlei von dem Fall abzog. Kurz darauf
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