Hi, Society
Gewissen deswegen. Aber wie heißt es, im Krieg und bei Hochzeiten ist alles erlaubt und es war doch klar, dass Vincenzo Sophie niemals eine solch persönliche Feier ausrichten würde können wie ihr beste Freundin, also ich oder besser gesagt wir.
Ja, es gibt da noch so eine kleine Herausforderung, mit der ich mich herumschlagen muss und die heißt: Meine Mum. Keine Ahnung, wie sie darauf kommt und ich schwöre, ich habe es ihr auch schon in allerlei Arten und Weisen zu erklären versucht, aber seit sie von Sophies Hochzeit weiß, ist sie praktisch nicht mehr aus ihrer Küche herausgekommen. Mein Paps musste ihr eigens dafür einen neuen Backofen kaufen und hat bestimmt schon mindestens fünf Kilo zugenommen, weil er all die 67 Sorten an Hochzeitskeksen, welche sie momentan in einer Art Probedurchlauf in ihrer Küche fabriziert, höchstpersönlich hatte verkosten müssen. Dabei wird es auf der Hochzeit überhaupt gar keine Kekse, sondern ein überdimensionales Zuckerkunstwerk der Hofzuckerbäckerei Demel geben. Ich habe es gestern bestellt und es wird aus acht verschiedenen Torten unterschiedlichster Geschmacksrichtungen zusammengesetzt sein, überzogen mit weißem Fondant, echtem Blattgold und kandierten Veilchen. Bloß, dass meine Mum das momentan noch nicht weiß.
Ob ich versucht habe, ihr das zu sagen?
Was denken Sie von mir? Dass ich meine Mutter Unmengen an Keksen backen lasse einfach so? Natürlich nicht.
Aber beim ersten Versuch, gerade als ich von vertraglich zugesicherter Gewichtsstabilität in Modelkreisen anfing, während sie mit geteilter Aufmerksamkeit die Ribiselmarmelade auf den Keksstücken verteilte, da duftete es dermaßen lecker, dass ich meine Aussicht auf diese rot-glänzenden Ischler Krapferl am Blech nicht mit einem unüberlegten Wort über Gewichtskontrolle in unnötige Bedrängnis bringen wollte. Beim zweiten Versuch war es nicht viel besser, denn wie sonst auch hat sie mich einfach nicht ernst genommen und doch allen Ernstes lauthals zu lachen begonnen. »Eine Hochzeit ohne Kekse! Jetzt wäre ich dir aber fast auf den Leim gegangen, junge Dame«, gesagt und mir einen Teller herrlich mürber Vanillekipferl hingestellt und beim dritten Versuch also ehrlich gesagt gab es keinen dritten Versuch und so fahre ich einmal die Woche zu meinen Eltern und verkoste Kekse.
»Kekse?« Sophie wirft mir einen verwirrten Blick zu.
»Ich fasse in Gedanken bloß ein paar Details zusammen«, erkläre ich möglichst locker, fische flink meinen S&M-Planer heraus, das steht für Sophie und Massimo – oder was haben Sie schon wieder gedacht? – und beginne aufzuschreiben.
»Keine Kekse, keine Brautentführung«, halte ich in geschäftsmäßigem Ton fest und frage mich eben, ob ich ›keine‹ mit meinem roten Gelstift unterstreichen soll, als Sophie mich unwirsch unterbricht.
»Was ist los mit Erik und dir?« Sie sieht mich durchdringend an. Der Klang ihrer Stimme ist streng, aber in ihrem Gesicht erkenne ich, dass sie sich ehrlich Sorgen um mich macht.
»Was soll schon los sein?«, winke ich ab und entscheide mich für eine kleine Wellenlinie. »Sieh nur, die hat Marie mir geborgt.« Ich zeige stolz auf die zauberhaft funkelnden Kristall-Kunstwerke an meinen Füßen, während Sophie scheinbar gänzlich unbeeindruckt von dieser beglückenden Information einfach nur dasitzt und mich forschend ansieht. »Es sind eigens für Marie angefertigte Einzelstücke aus transparenter Spitze«, versuche ich erneut, ihr wenigstens einen kleinen Funken Entzücken zu entlocken. »Die Steine wurden mit –«
»Du kannst so nicht weitermachen, Elli!«, fällt sie mir ins Wort. »Deine Gefühle verleugnen, verstecken. Wie oft hast du mir das gepredigt?« Ihre Stimme klingt ernst und was mich ehrlich gesagt am allermeisten beunruhigt, sie lächelt nicht mehr. Sophie sieht mich einfach nur an und auch wenn ich mich ehrlich bemühe, gedanklich zu meinen glänzenden Glitter-Heels zurückzukehren, ich schaffe es nicht. Ich weiß, dass sie recht hat. Dass ich es nicht länger in mir vergraben sollte. Dass ich darüber sprechen, es loslassen sollte. Aber das ist ehrlich gesagt gar nicht so einfach, jetzt wo ich das alles schon so lange da unten festhalte.
»Wo soll ich bloß anfangen?«, bringe ich schließlich hervor.
»Wie wär’s am Anfang?« Sophie lächelt mir aufmunternd zu. Sie drückt meine Hand und als ich in ihr verständnisvolles Gesicht blicke, beginne ich zu erzählen: Von jener Nacht, von den Schmerzen im
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