Hi, Society
mir trage, um mich vor bösen Geistern zu schützen oder so. Na, das kann ich ja dann spontan entscheiden. Die spontanen Ideen sind ja sowieso immer die besten – steht zumindest in meinem Buch: ›So krempeln Sie Ihr Leben um!‹
Ja und mein Gesicht wird die ganze Zeit über in so einem kleinen Fenster am unteren Bildschirmrand eingeblendet sein, um meine Reaktion zu zeigen und ich werde sehr bescheiden nicken, in meinem Chanel-Kostüm, das ich mir für Paramount gekauft habe, während das vor Begeisterung jubelnde Publikum von ihren Stühlen springt und Vera mit den Tränen kämpft. Eine lebenslange Freundschaft wird uns verbinden und Sinatra wird ›My Way‹ singen.
Hoppala, ich zucke zusammen, da singt ja wirklich Sinatra. Das ist der SMS-Ton von meinem Handy, meine Mum.
›Gute Nachrichten:
Tante Trude hat eine Stimmbandlähmung.
Sie meldet sich wegen einem Termin!
Bussi Mama
P.S.: Der Russischkurs beginnt Fr. um 19 Uhr.‹
Woher weiß sie das mit dem Daumenhochzeichen? Ich meine, bis vor Kurzem hielt sie eine E-Mail noch für eine bestimmte Form von Cocktail und ich habe ihr doch gesagt, dass ich keinen Kurs machen will. Echt, da frag ich sie einmal wegen einem russischen Wort und schon muss ich einen ganzen Kurs machen. Wie damals, als ich sie fragte, ob in der Suppe Liebstöckl ist. Prompt schreibt sie mich zu diesem Kochkurs ein, in dem nur alte Leute waren. Dabei wollte ich gar nicht wissen, was in dieser Suppe war, ich wollte bloß höflich sein. Und was die Stimmbandlähmung anbelangt: Es ist ja wirklich nett, dass sie mir helfen will, aber ich befürchte, dass Tante Trude genauso wenig logopädische Therapie braucht wie all die anderen Patienten, die sie mir in den Wochen zuvor schon geschickt hat. Die arabische Schlaganfallpatientin zum Beispiel stellte sich nach hartnäckig langer Weigerung ihr Kopftuch abzunehmen als mein völlig gesunder Cousin Stefan heraus, die übergewichtige Opernsängerin mit völliger Stimmlosigkeit hatte bereits bei der Antwort auf meine erste Frage vergessen, dass sie ja eigentlich aphon war, was somit unter Wunderheilung fiel und der einzige Sprachfehler der letzten Tage, der halbwegs echt klang, war der interdentale Sigmatismus dieses Peters. Doch als ich ihm einen Lolli anbot, gab er zu, dass ihn meine Mum bestochen hatte, mit einer Portion Marillenknödel für eine Stunde Zunge zwischen die Zähne beim Reden.
Ich lege das Telefon zurück in meine Tasche. Welcher Ort würde sich eignen für meine ganze persönliche Schokoladen PO se. Ich habe sie zu Hause vorm Spiegel geübt. Ich nenne sie die Dita-von-Titti-ähm-Teese-Pose. Ich wünschte, Sophie könnte mich so sehen. Von wegen, ich sei nicht sexy! Pah! Die hat echt so was von keine Ahnung.
»Vielleicht der Bürostuhl?«, überlege ich weiter.
Der Übertopf der Zimmerpflanze?
Würde farblich äußerst gut mit der La-Perla-Spitze harmonieren. Doch gleich nachdem ich mich gesetzt habe, überlege ich es mir anders. Hydrokulturkügelchen! Kaum runterzukriegen vom Po, und die Lichtverhältnisse sind hier ehrlich gesagt auch etwas problematisch. Überall diese Neonröhren. Wie soll denn da romantische Stimmung aufkommen? Geschweige denn ein makelloser Körper, wenn jede noch so winzige Cellulite-Delle oder Krampfader steril ausgeleuchtet wird. Da mutiert Eriks Schreibtisch ja geradezu zum OP-Tisch. Also wer auch immer diese Sex-Tipps für Büroliebe geschrieben hat, hat es definitiv niemals ausprobiert.
Na wenigstens habe ich noch meine Geheimwaffe. Ingwerparfum. Ich ziehe den schmalen honigfarbenen Flakon aus der Tasche und verteile seinen Inhalt großzügig zwischen meinen … Augen. Es riecht nicht besonders, aber dafür hat es laut psychomedizinischen Untersuchungen einen immens großen Einfluss auf das Amüsierviertel im Kopf.
Das habe ich aus dieser Ökozeitschrift, die ich neulich gekauft habe, quasi als weiterer Schritt zu meinem bewussteren Umgang mit der Natur. Wissen Sie, es hat wirklich Vorteile, wenn man nicht arbeitet, man hat plötzlich irrsinnig viel Zeit für all diesen anderen Kram. Sie wissen schon! Die Dinge, die jahrelang auf der To-Do-Liste dahin schlummern, aber man macht sie nie, weil man keine Zeit hat für: to-do.
Es gibt so viele Sachen, die ich noch nie gemacht habe, wie eben Bürosex, eine Dauerwelle, oder all diese Bücher, die ich nicht gelesen habe, und jetzt, wo ich diese neuen Erfahrungen mache, da bin ich gar nicht mehr so sicher, ob ich mich beruflich nicht
Weitere Kostenlose Bücher