Hi, Society
nützte diese für seine Zwecke, schon sein ganzes Leben lang.
Das richtige Timing entschied. Es entschied über Aufstieg oder Fall, über Sieg oder Niederlage, darüber, ob man kurz vorm Ziel stolperte oder für immer auf der Strecke liegen blieb.
In Stephan Melnhofs Leben war alles eine Frage des perfekten Timings.
Und so war es auch kein Zufall, dass er exakt zwei Minuten nach seinem ersten Anruf, präzise um 12.01 Uhr mitteleuropäischer Zeit, 3.01 Uhr Pacific Standard Time, und damit genau jenem Zeitpunkt, an dem amerikanische Pathologen Wochen zuvor Marie von Stettens Todeseintritt festgestellt hatten, jene Nummer erneut wählte.
Er konnte die Zeit nicht aufhalten, aber wenn er jetzt nicht handeln würde, dann würde es schon bald zu spät sein. Doch wie sagte schon Brecht: Für die, deren Zeit gekommen ist, ist es nie zu spät.
KAPITEL 18
»H
aben Sie einen Termin?« Die Empfangsdame mustert mich mit zweifelndem Blick über den Rand ihrer Brille hinweg, während ich unschuldig den Kopf schüttle und das fabelhafte Blumenarrangement aus pinken und weißen Pfingstrosen am Empfangstisch begutachte.
»Ich war bloß in der Gegend«, sage ich unbeschwert, sauge den herrlichen Duft der Blumen in mich ein und sie nickt irritiert. »In welcher Angelegenheit?«
»Nun«, ich überlege einen kurzen Moment. »Etwas Privates«, füge ich schließlich fröhlich hinzu und schnuppere erneut an dem opulenten Blumenarrangement. »Sind die von Bloom auf der Kärnterstraße?«, werfe ich ihr einen fragenden Blick zu, während sie aufgeregt etwas in ihren Computer tippt und ich das Schleifenband näher inspiziere.
»Würden sich hervorragend für die Kirchenbänke in der Schlosskapelle eignen. Was meinen Sie?«
Sie zupft irritiert am Kragen ihrer weißen Bluse. »Ähm, ich glaube, ich verstehe nicht ganz.«
»Ach so, klar!«, schlage ich verlegen meine Hand gegen die Stirn. »Wissen Sie, ich bin Weddingplanerin, also nicht professionell …«
»Das dachte ich mir schon«, unterbricht sie mich peinlich berührt, ohne mich anzusehen. Für einen kurzen Moment frage ich mich, ob ich vielleicht ein wenig übertrieben habe. Ich meine, der Taxifahrer war vorhin schon so komisch und jetzt das hier. Ob die Glitzersteinchen-Wimpern vielleicht too much sind? Aber sie sehen echt sexy aus. Ich finde, dass sie meinem Gesicht enormen Ausdruck geben. Und zu meiner Verteidigung: Sie waren in der Vogue! Und Madonna trug sie in diesem Musikvideo.
Ach! Bestimmt bilde ich mir das bloß ein, weil ich ein wenig aufgeregt bin und ich so was das erste Mal in meinem Leben mache. Genau das wird es sein, wie damals im Ringwagen, nach meinem ersten Mal, als ich dachte, jeder Fahrgast würde mich kritisch beäugen, weil ich gerade meine Unschuld verloren hatte. Alles bloß Einbildung. Sie hatten keinen blassen Schimmer. Naja zumindest nicht, bis ich Sophie angerufen hatte und wenn ich ein wenig leiser geredet hätte …
Jedenfalls bin ich mir ganz sicher, dass sie überhaupt nichts ahnt. Zumindest, wenn ich auf der Stelle damit aufhöre, mich weiter so seltsam herumzuwinden. Aber irgendwie zwickt er, dieser sündig-teure Trikini, von dem ich noch immer nicht weiß, ob ich ihn überhaupt richtig angezogen habe, bei all den unübersichtlichen Bändern und Schleifchen aus feinster französischer Spitze. Also ich glaube, man bräuchte ein abgeschlossenes Ingenieurstudium oder so um zu enträtseln, wo bei dem Ding vorn und hinten ist, geschweige denn welche Bänder verknotet werden sollen. Mal ehrlich, da ist es ja einfacher, ein Ikea-Regal zusammenzubauen. Da gibt es zumindest eine Gebrauchsanleitung.
»Nun, wenn Sie keinen Termin haben, muss ich Sie bitten zu warten.« Madame Empfang zeigt nervös auf das rote Designersofa im weitläufigen Empfangszimmer der Kanzlei. Ihre Stimme zittert ein wenig, als sie sagt: »Dr. Weitzman ist noch in einer wichtigen Besprechung.«
Sie tut mir richtig leid. Sie scheint ein wenig überfordert zu sein mit ihrer Situation. So wie sie da sitzt, mit ihren nervös aufgerissenen Augen und der gerunzelten Stirn. Der Stress ist ihr geradezu ins Gesicht geschrieben.
»Aller Anfang ist schwer!«, sage ich mitfühlend und lächle ihr aufmunternd zu, während ich verstohlen meine nigelnagelneuen schwarzen Lackleder-Louboutins übers Knie hochziehe.
Sehen Sie und schon lächelt sie zurück. Okay, das Lächeln sieht ein wenig gequält aus, und sind das Schweißperlen auf ihrer Stirn?
Die Arme! So ein neuer Job kann
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