Hi, Society
Jane-Birkin-Manier zu hauchen »Je t’aime, je t’aime, oui je …«, bis Erik mir überraschend seine Hand auf den Mund presst.
»Bloß die Putzfrau«, erklärt er jetzt zu meinem Entsetzen, schüttelt angespannt mit dem Kopf in meine Richtung und ich verstumme auf der Stelle. Also dieser Quicky ist ganz schön tricky. Ob ich vielleicht besser morgen wiederkommen sollte?
Nein! Wenn ich es geschafft habe, meinen doofen Doktorvater davon zu überzeugen, dass meine Dissertation fertig ist, dann schaffe ich es auch, Erik von mir zu überzeugen. Also stehe ich langsam auf und stolziere so sexy, wie es meine Hüften hergeben, unter seinem wachsamen Blick hinüber zu dem weißen Corbusier-Sofa, das er normalerweise für Gespräche mit seinen Mandanten nutzt. Das Lackleder an meinen Beinen quietscht bei jedem Schritt aufreizend.
»Wir brauchen eine einstweilige Verfügung«, erklärt er in seinem geschäftigen Anwaltston, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen.
»Kein Wort zur Presse! Wir treffen uns in fünf Minuten.«
Fünf Minuten? Der spinnt wohl. Dafür ist mir der ganze Aufwand hier aber echt zu viel.
»Ich habe hier noch etwas zu erledigen«, fügt er nach einer kurzen Pause hinzu, legt ab und ich so richtig los. Noch ehe er etwas sagen kann, singe ich wieder und mache ziemlich bourlesque Bewegungen. Echt! Sie sollten mal Eriks Gesicht sehen. Ich werfe mein Haar in den Nacken und vergewissere mich, dass alle meine Knöpfe am Trench geöffnet sind und auf einmal, ohne Vorwarnung, lasse ich ihn fallen – und all meine Befürchtungen und Ängste gleich dazu. Ich habe keinen blassen Schimmer, woran es liegt, ich meine normalerweise werde ich schon rot, wenn ich bloß das Seite-4-Girl der Kronen-Zeitung sehe, aber aus irgendeinem Grund kann ich gar nicht mehr damit aufhören. Gibt es vielleicht so etwas wie eine Striptomanie oder Laszivopathie? Ich bin so richtig in Fahrt. Ich fahre mir durchs Haar, ich wirble wild auf meinen Luder-Louboutins herum, ich schwinge aufreizend meine Beine in die Luft …
Wie? War das etwa ein Schmunzeln auf Eriks Gesicht?
He! Ich habe das von Demi Moore in ›Striptease‹.
Und auf einmal kommt er näher. Er sagt kein Wort. Er hebt mich hoch, ich schlinge meine Arme um seinen Hals und wir küssen uns. Erst zärtlich dann immer wilder und immer, immer wieder. Bis wir wieder bei seinem Schreibtisch angelangt sind und er mich absetzt. Einen Moment sehen wir uns tief in die Augen. Ich rieche sein Aftershave und seine Hände kitzeln mich ein wenig, als er den Knoten in meinem Nacken löst. Mein Herz pocht auf einmal wie wild und so wie er mich ansieht, bin ich ziemlich sicher, dass er mehr als bloß fünf Minuten zu spät kommen wird.
KAPITEL 19
S
ophie hatte recht, ich hätte es nicht tun sollen und wenn ich etwas länger darüber nachdenke, bin ich mir ziemlich sicher, dass das hier eine ebenso blöde Idee ist. Ich meine, er ist der Gesundheitsminister, vermutlich bald unser Bundeskanzler und ich bloß eine kleine neurotische Logopädin mit einer fixen Idee und einer Story, die er mir bestimmt nicht abkauft. Numeraliaphobie. Es grenzt an ein Wunder, dass ich diesen Termin hier überhaupt bekommen habe.
»G’nädige Frau! Ihr Verlängerter!«, unterbricht der eben an meinen Tisch gekommene Ober im Stresemann meine Gedanken und beginnt damit, vorsichtig die dampfend-weiße Porzellantasse mit dem Goldwappen des Hauses gefolgt von Milchkännchen, Wasserglas und kleiner Zuckerdose vor mir auf dem blassrosa getupften Tischtuch abzustellen, ehe er sich daran macht, den Nebentisch von den Tafelspitz-Überbleibseln der eben gegangenen japanischen Touristengruppe zu befreien. Ich schiebe derweil meine imperiale, herrlich nach frisch gerösteten Bohnen duftende Porzellantasse sowie meine Gedanken zur Seite und blicke hinaus auf die in strahlendes Sonnenlicht getauchte Ringstraße. Zwischen den blühenden Kastanienbäumen schlängelt sich der Ringwagen langsam entlang in Richtung Staatsoper, während hier im Café des Ringstraßenhotels die Ruhe vor der Wiener Kaffeejause einkehrt. Mit geschicktem Griff werden Teller abgeräumt, Menagen entfernt und Tischtücher zurechtgezupft, begleitet vom rhythmischen Klacken der großen Schwingtüren, durch welche sich die letzten Banker in ihren teuren Maßanzügen von ihrem Schnitzel mit Kartoffelsalat in eines der naheliegenden Palais-Ringstraßenbüros verabschieden und ich hier noch immer nicht ganz sicher bin, ob ich einen Kaiserschmarrn
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