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Hi, Society

Hi, Society

Titel: Hi, Society Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolin Park
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Arpels!«, unterbreche ich sie und greife beherzt nach dem herrlich-funkelnden Vintage-Traum, der kunstvoll ihren Unterarm umschlingt.
    »Ein Originalentwurf von 1904!«, sagt sie stolz und zeigt auf zwei winzige Zifferblätter: »Zwei Ortszeiten: New York und Wien.«
    »Und die hier?«, ich deute auf den filigranen weißgoldenen Zeiger am unteren Ende des Zifferblattes.
    »Das ist unsere Zeitzone.«
    »Wie? Er schenkt dir eine eigene Zeitzone?« Ich kriege meinen Mund kaum mehr zu. Ich meine wir Normalo-Mädels bekommen Blumen, im besten Fall ein paar Pralinen und Sophie eine eigene Zeitzone?
    »Frag mich nicht, wie das im Detail funktioniert. Ich habe mir bloß gemerkt, dass damit eine neue Zeitrechnung beginnt. Unsere. Der Zeiger soll mich daran erinnern …«
    » … dass er seinen Zeiger in der Hose behält.« Ein bisschen Spaß auf Kosten der Frau mit der eigenen Zeitzone muss ja wohl erlaubt sein, was sie allerdings völlig ignoriert.
    » … dass wir ab sofort offen und ehrlich miteinander umgehen und füreinander da sind«, stellt sie ungerührt klar und wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »Versteh doch! Ich kann unmöglich mit dir da hinfahren!«
    »Wieso? Weil sonst der Zeiger in Bedrängnis kommt?«
    »Weil wir mehr Zeit miteinander verbringen wollen und er die Albertina exklusiv gemietet hat.«
    »Wie? Nur für euch?«
    »Na, die haben doch diese Sonderausstellung, mit all den verschollen geglaubten Bildern von Schiele und Klimt. Die will er unbedingt sehen.«
    »Und dazu muss er das ganze Museum sperren lassen?« Ich bin ehrlich enttäuscht.
    »Na, er wird halt nun mal ungern dabei gestört, wie er sich Bilder ansieht. Was soll der Mist überhaupt?« Ihre Stimme klingt genervt. »Ich werde da nicht hinfahren und wenn ich etwas hinzufügen darf, du solltest es auch nicht tun!«

KAPITEL 17
     

    A
    ls Stephan Melnhof die Entscheidung traf, war es vier Minuten vor zwölf und er zehn Minuten zu spät zur Parlamentssitzung. Es waren eine Menge Sitzungen pro Jahr und er hatte bisher keine davon versäumt. Damit war er der einzige Politiker im Sitzungsprotokoll des österreichischen Parlaments seit 1925. Diese Tatsache würde ein höchst erfolgversprechender Wahlkampfaufhänger werden. Also beschleunigte er seinen auf dem Kies knirschenden Schritt, während er eilig den Blackberry aus der Brusttasche seines eleganten Prada-Sakkos zog und den Volksgarten auf Höhe des Theseustempels durchquerte. Er hatte lange darüber nachgedacht. Alle Für und Wider gegeneinander abgewogen. Doch so sehr er es auch drehte und wendete, er wusste, dass jeder zeitliche Aufschub das Problem bloß zuspitzte.
    Sie mussten es ein für alle Mal beenden, es wurde zu riskant. Marie von Stetten war tot, aber wie sich gezeigt hatte, reichte das allein nicht aus. Er wusste jetzt, dass er sich in einer falschen Art von Sicherheit gewähnt hatte. Über die Jahre war er unvorsichtig geworden. Es gab Mitwisser. Noch schwiegen sie, aber wie lange noch? Die Zeit war günstig. Er hatte alle Informationen, die er brauchte, um seine Kritiker auszuschalten, allen voran diesen blasiert-langweiligen und überdies dreist-dummen Wissenschaftsminister. Dieser würde freiwillig vom Amt zurücktreten, wenn er nicht schon morgen als Sex-Skandal-Minister Schlagzeilen machen wollte.
    Konzentriert begann er, die Nummer in sein Telefon zu klopfen. Er musste es beenden, so lange er noch die Fäden in der Hand hatte.
    Er ließ es exakt einmal läuten und hängte auf. Nachdem er den Rosengarten durch das schmiedeeiserne Tor in Richtung Burgtheater verlassen hatte, machte er eine Wendung nach links in Richtung Parlament, gerade als das Display 11.58 Uhr zeigte und die Glocken der nahegelegenen Votivkirche obligat vorzeitig die Mittagszeit ankündigten. In 30 Sekunden würden die Glocken des Stephansdoms folgen und in einer weiteren Minute würde im Wintergarten des Café Landtmann die automatische Fensteröffnung ausgelöst.
    Stephan Melnhof war ein guter Beobachter. Er wusste um solche Dinge. Er wusste, dass die Uhr am Parlament 20 Sekunden nachging, er exakt zwölf Minuten und 13 Sekunden brauchte, um von seinem Büro am Ballhausplatz in den Plenarsaal des Parlaments zu gelangen, drei Minuten und zwei Sekunden länger, wenn er den Mantel trug, weil dieser extra durch den Sicherheitsscanner musste.
    Stephan Melnhof behielt die Zeit im Auge. Er reglementierte sie. Er plante sie, haargenau, bis ins kleinste Detail. Er war sich ihrer Macht bewusst und er

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