Hi, Society
Lackschuh-Museum?«, legt sie lautstark nach und ihren Lippenstift auf.
»Schschscht!«, versuche ich sie zu bremsen, während ich die alten Damen mit meinem wohlerzogensten Lächeln bedenke und ihnen höflich zunicke. »Eine wunderbare Inszenierung! Finden Sie nicht auch?«
»Du solltest ein bisschen höflicher sein!«, wende ich mich Sophie gestreng zu und ziehe sie in Richtung Damenklo.
»Warum?« Sie rollt die Augen. »Weil alte Menschen jede Menge Lebenserfahrung haben?«
»Weil manche von ihnen Coco Chanel noch persönlich gekannt haben«, deute ich auf die kleine zerbrechliche Person vor uns, in ihrem eierschalengelben Chanel-Vintage-Traum-Kostüm und sie zieht ein Gesicht.
»Die waren dabei, als Modegeschichte geschrieben wurde. Das ist quasi so was wie Vintage-Village, oder besser das interaktive Museum für Modedesign. Da verschmelzen Träger und das Getragene zu einem einzigen Exponat!« Sophie scheint mäßig überzeugt.
»Hier zum Beispiel«, ich deute auf die Dame in Flieder: »Der New Look! Geschaffen von Christian Dior 1947. Enge Taille, oberkörperbetont, ausladender Rock, üppig wie ein Blütenkelch. Und da: Geburtsjahr 1923. Die Anatomie eines Mythos am Arm einer alten Dame. Trapezform, schlicht, ohne Schnickschnack und überflüssige Details. Die Kelly Bag! Und direkt daneben: Erstmal öffentlichkeitswirksam von der Deneuve getragen, das war glaube ich 1962. Le Smoking von Yves Saint Laurent. Der Haute Couture Hosenanzug für Damen«, führe ich begeistert aus, öffne die mit weißem Stuck verzierte Tür zu den Toiletten und verabschiede mich von Sophie, die sich mit einem kurzen »Bis gleich!« auf den Weg in den Teesalon macht, um uns schon mal einen Topfenstrudel samt Sektflöte zu bestellen.
»Dann sind wir also beide von unseren Männern versetzt worden!«, stelle ich nach einer kurzen Begrüßung und einem flüchtigen Toiletten-Tratsch mit meiner Promi-Patientin Katharina fest, die überraschend aus der hintersten Kabine aufgetaucht ist und eben dabei ist, ihr Make-up aufzufrischen.
Katharina nickt. »Für Alex ist es Strafe genug, dass er Don Giovanni verpasst«, erklärt sie und so wie sie es sagt, könnte man meinen, es handle sich bei Alex um einen 0815-Normalo-Mann und nicht die männliche Hauptrolle im nächsten Quentin-Tarantino-Blockbuster. Aber verraten Sie das jetzt bloß nicht der Gala. Sie hat mir das nämlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut, als er sie letzte Woche während der Therapie anrief.
»Alex liebt die Oper«, fährt sie fort und verteilt großzügig ein paar Tropfen ihres Parfums hinter den Ohrläppchen. »Er war früher regelmäßig hier. Sein Bruder hat in Wien gelebt.«
»Chanel No. 5!«, bemerke ich, als ich den Flakon in ihrer Hand erkenne. »Wusstest du, dass Fünf die Glückszahl von Coco Chanel war? Der ursprüngliche Flakon wurde nach einem Fläschchen aus dem Reisenecessaire von Cocos verunglücktem Liebhaber Boy Chapel gefertigt. Es besteht aus 31 Duftnoten. Jeder Flakon wird per Hand mit einem Goldschlägerhäutchen luftdicht versiegelt«, sprudle ich weiter hervor, bis ich ihr Gesicht sehe und abrupt stoppe.
»Wirklich?« Sie dreht sich verwundert zu mir um, während sie den großen goldenen Verschluss zurück auf das durchsichtige Fläschchen mit der goldfarben-glänzenden Flüssigkeit steckt und ich nicke.
Oje, ich glaube das war jetzt ein wenig zu viel der Begeisterung! Katharina sieht mich irgendwie seltsam an. Du guter Gott! Bestimmt denkt sie, dass ich völlig verrückt bin und sie lieber die Therapie bei mir beenden soll.
»Nimm es!«
Wie, sie schenkt es mir?
»Alex hat es mir geschenkt. Seit Wochen trage ich es unbenutzt mit mir herum.«
»Magst du es denn gar nicht?«
Sie schüttelt den Kopf. »Ich hasse Maiglöckchen. Schon immer!«, sagt sie und streckt es mir lächelnd entgegen. »Nimm du es!«
»Bist du sicher?«, zögere ich. »Es ist doch ein Geschenk.«
Sie nickt. »Du würdest mir einen Gefallen tun.«
Einen Gefallen? Na wenn das so ist? »Danke!«, sprudle ich fröhlich hervor, als auch schon die Pausenglocke ertönt und wir uns auf den Weg zu unseren Sitzplätzen machen.
Wir gehen gemeinsam die Treppe hinauf bis zum Mittleren Rang, dann muss ich nach links in Richtung Logen. Wir verabschieden uns und ich sehe Katharina noch kurz nach, wie sie sich in ihrem nudefarbenen Jenny-Packham-Kleid zwischen den mit rotem Samt bezogenen Stühlen nach vorn bewegt, ehe auch ich weitergehe. Ich bin bereits
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