Hi, Society
dabei, mich abzuwenden, als ich flüchtig den Eindruck habe, sie würde wanken.
Unsinn! Sie hat doch ganz normal gesprochen, denke ich auf dem Weg den langen schmalen Gang zu den Logen entlang und im nächsten Moment, gerade als ich mich setzen will, ein Schrei! Ein quälender, ohrenbetäubender Schrei.
Gefolgt von einem kurzen Moment totaler Stille … und noch ehe ich weiß, was passiert, geht das Licht an, springen Leute erschrocken von ihren Sitzen auf, ihre Stühle klappern beunruhigt und Stimmen erheben sich, erst zögerlich, dann immer dringender:
»Einen Arzt! Schnell!«, rufen sie. Ich eile wie in Trance den Stimmen hinterher, nach vorn, zur Brüstung. Die Stimmen werden lauter. Ich beuge mich über die Brüstung. Unten im Parkett hat sich eine aufgeregte Menschentraube gebildet. Manche knien, manche halten sich die Hand halb vors Gesicht, manche stehen einfach nur wie versteinert da oder starren zu Boden. Zwei Sanitäter mit einer Trage stürzen durch die Flügeltüren herein, während das Ding-Dong der Pausenglocke unermüdlich die Leute zum Gehen auffordert. Und da, inmitten des Gewühls und all dem Neorenaissance-Prunk, umrundet vom possierlichen Opernpublikum, da erkenne ich sie, die regungslose Gestalt am Boden. Es ist Katharina Thor!
KAPITEL 25
»W
eiß man, woran sie verstorben ist?« Erik sieht mich erstaunt an, während ich einen schlaflosen Langstreckenflug und drei Bordkinofilme später kopfschüttelnd die Orchideenkette, die mir samt einem lächelndem
Aloha am Flughafen, von einer schokoladegebräunten Inselschönheit um den Hals gelegt wurde, auf dem mit weiß-gelben Frangipani-Blüten dekorierten Bett ablege.
»Alles, was ich weiß ist, dass sie super gelaunt war. Ihr Freund sollte zu Besuch kommen und sie hat mir das hier geschenkt«, sage ich und lege den durchsichtigen Chanel-Flakon am Bett neben dem Blumenkranz ab, ehe ich meinen Blick durchs Zimmer schweifen lasse.
Überall sind Blumen, es gibt herrlich nach Kokos und Macadamia duftende Kekse neben einem bunt gefüllten Korb mit Papaya, Mango und anderen Tropenfrüchten und durch die großen geöffneten Terrassentüren kann man direkt hinaus auf den tropischen Garten, den weißen Sandstrand, gesäumt von schwarzem Lavagestein und das türkisfarben in der Sonne glitzernde Meer sehen.
Das Bett ist riesig und wird von einem durchsichtigen cremeweißen Himmel überspannt. Es riecht nach Orchideen und den Frangipani-Blüten, welche die Bettdecke zieren und das gesamte Mobiliar ist aus dunklem Tropenholz – welches laut Edda mit Sicherheit auf der Liste gefährdeter Welthölzer steht. Ein Wunder, dass sie gar nichts darüber erwähnt hat, als wir sie vorher in der Lobby getroffen haben. Sie hatte es so überaus eilig, zu ihrer Lomi-Lomi-Massage zu kommen, dass sie mich überhaupt kaum begrüßt, geschweige denn mit mir geredet hat. Ich hatte fast den Eindruck, sie möchte mir aus dem Weg gehen, so gestresst hat sie gewirkt und Erik hat sie komplett ignoriert. Es war irgendwie bizarr. Naja, vielleicht hängt es mit dem Stress zusammen, der Öko-Deal, der sie schon wochenlang beschäftigt, steht kurz vor dem Abschluss und da liegen erfahrungsgemäß immer bei allen Beteiligten die Nerven blank, auch Erik war schon wesentlich entspannter als jetzt. Alle paar Minuten zückt er seinen Blackberry und checkt seine E-Mails und die Begrüßung am Flughafen hatte ich mir ehrlicherweise auch ein wenig romantischer vorgestellt.
»Na wenigstens musst du kein schlechtes Gewissen haben, dass der Hawaii-Trip deine Patiententherapien unterbricht!«, bemerkt Erik lächelnd und schlingt fröhlich seine Arme um mich. Er drückt mir einen dicken Kuss auf die Wange und die feucht-schwüle Luft, die durch die geöffneten Türen ins Innere des Zimmers strömt, wird begleitet von einer herrlich duftenden Brise tropischer Blüten, vermischt mit den gedämpften Stimmen des eben startenden Beach-Barbecues, zu dem auch wir geladen sind.
Das hier ist nämlich gar kein Privaturlaub, sondern vielmehr die jährliche Incentive-Reise von Eriks Kanzlei, was so viel bedeutet, dass all jene Anwälte hier vertreten sind, die das ganze Jahr über am erfolgreichsten waren, sozusagen die World Wide Weirds, die ihr Leben der Firma opfern und zur Belohnung hierher eingeladen werden, um sie und uns Frauen bei Laune zu halten oder konkreter formuliert, uns davon abzuhalten, uns weiterhin lautstark über zu lange Arbeitszeiten, zu kurze Wochenenden und zu viele Telefonate
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