Hi, Society
ist kein Ruhekissen. Ich brauche schon eher eine Waffe! Ja, ein Gewehr, eine Pistole, ein Messer.
Also ab in die Küche, ich ziehe die Bestecklade auf und – also langsam, aber sicher bekomme ich einen Nervenzusammenbruch. In der ganzen Lade befindet sich kein einziges ordentliches Messer. Stattdessen Unmengen an fein glänzendem Berking-Besteck mit herrlich formvollendeten runden Enden und unseren gravierten Initialen am Griff. Im Geiste verfluche ich sogleich Eriks Eltern. Hätten sie uns nicht einfach stinknormales Besteck zur Hochzeit kaufen können. Wie soll man denn damit jemanden umbringen?
20 Minuten später fühle ich mich schon wesentlich besser. Ich habe Spagat gefunden. Der ist zwar eigentlich dazu da, um Braten zu umwickeln, keine Ahnung, warum wir so etwas überhaupt besitzen, muss wohl noch vom Vormieter stammen, aber ich konnte damit die Türschnalle des Wohnzimmers mit der Türschnalle der Eingangstür fest verknoten, das heißt wenn jemand einsteigt, dann kommt er mit ziemlicher Sicherheit nicht so schnell aus dem Zimmer wieder raus. Außerdem bin ich bewaffnet, mit zwei chinesischen Essstäbchen, einer Flasche Nagellackentferner, zwar ohne Aceton, aber ich hoffe mal, es brennt trotzdem in den Augen, und eben hole ich noch meine schwarz-weiß gepunkteten Manolos aus dem Regal, schließlich sind ihre Stahl-Stilettoabsätze gefährlicher als unsere Küchenmesser, als ich am Boden meines Schuhschranks etwas funkeln sehe. Ich greife danach. Es ist ein kleiner Strassstein. Na toll, noch ein fehlender Stein von Maries Schuhen. Witzig, im Licht der Flurlampe glitzert er wie der Stein an meinem Verlobungsring. Wow, der sieht verblüffend echt aus. Ich erkenne kaum einen Unterschied zu dem Diamanten auf meinem Verlobungsring und eigentlich ist er auch ziemlich schwer. Auf einmal wird mir heiß und mein Gehirn macht Überschlag, was wenn er echt ist? Was wenn alle Steine auf Maries Schuhen echt sind?
KAPITEL 22
A
ls ich am nächsten Morgen die dunklen Eichentüren zu dem kleinen Laden in der Singerstraße, gleich um die Ecke beim Stephansplatz, hinter mir schließe, kann ich es noch immer nicht glauben. Ein loser Diamant, 1.3 Karat, Smaragdschliff, sehr kleine Einschlüsse und die Farbe: Top Wesselton, hervorragende Brillanz. Rufpreis: 2.100 Euro, so lautet die Expertise des Schätzmeisters des Dorotheums. Auf einmal macht es Sinn, dass Marie von Stettens Schuhschrank einem Safe gleicht. Ich bin gleich heute Morgen hingegangen, nachdem ich die ganze Nacht ohnehin kein Auge zugemacht hatte und ich sowieso noch dieses Silberbesteck ersteigern wollte, das ich bei meiner Recherche im Online-Katalog gefunden hatte. Irgendwie musste ich mir die Nacht ja um die Ohren schlagen, nachdem ich mich kein Auge zuzumachen getraut habe und Erik nicht erreichen konnte. Also war ich heute schon ganz früh auf einen Frühstücks-Abstecher bei meinen Eltern und im Anschluss bei der Morgenversteigerung im Dorotheum. Weiß ja schließlich jeder, dass in Zeiten der Wirtschaftskrise die Investition in Silber empfohlen wird. Und so habe ich jetzt in ein 24-teiliges Silberbesteck aus der Zeit des Jugendstils investiert, mit herrlichen Verzierungen am Griff und ordentlichen Messerspitzen. Nur für den Fall, dass der Typ mit der Kapuze wiederkommt.
Ich überquere den Stephansplatz, drücke mich an der Traube italienischer Touristen vorbei, die sich vor dem Südturm scharen, und öffne mit einem fröhlichen Klingeln die Tür zu Herrn Schukowitz’ Laden. Na so was! Keiner da. Ich stelle meine Tasche am Boden ab und sehe mich in dem kleinen Geschäft um. Der Geruch von würzigem Leder vermischt mit Staub und Kleber steigt in meine Nase und ich muss sogleich niesen. Aus der angrenzenden Werkstatt ist ein Klopfgeräusch zu vernehmen, also schlage ich beherzt auf die kleine silberne Klingel am Tresen, was mit einem Mal das klackende Geräusch verstummen lässt. Im nächsten Moment steht er auch schon vor mir. Graues Haar, grüne Schürze, etwa 1,50 Meter klein und ganz groß in der Kunst der kosmetischen Absatzwiederherstellung, von mir auch liebevoll Mr. High Heel Heeler genannt.
»Na, was haben wir heute?«, sagt er lächelnd, nachdem wir uns begrüßt haben. »Schweres Kopfsteinpflaster-Trauma?«
»Schweren Peeptoe-Trennungsschmerz!«, schüttle ich fröhlich den Kopf und deponiere meinen pinkfarbenen Nummernschein auf dem polierten Ladentisch. »Ich wollte bloß meine Schuhe abholen!«
Mr. Minute’s Stirn legt sich in
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