Hibiskusblüten
versprach ihr, ernsthaft über diese Sache nachzudenken und sagte: „Außerdem kannst du mich ja wieder mal anrufen, wie?“
„Ja, das tu ich auch“, sagte sie und machte sich auf den Weg. Ich schaute ihr noch nach, bis sie hinter dem Hügel verschwunden war.
Doktor Roger Howard — sieh mal einer an!
Ich mag Kriminalgeschichten, in denen Ärzte vorkommen, aber ich war noch nie in einen Fall verwickelt, in dem ein Arzt etwas zu tun hatte. Die Ärzte, die ich kannte, beschränkten sich darauf, Rezepte und Rechnungen zu schreiben.
Während ich nun das Tal entlangfuhr, in dem rechts ein fast trockenes Bachbett parallel zur Straße lief, malte ich mir herrliche Kriminalfälle aus, in die alle dieser Doktor Roger Howard verwickelt war und die ich natürlich spielend löste, wofür ich wiederum Publicity und Dollars ernten konnte.
Als ich endlich an einer Tankstelle hielt, war Doktor Howard in meiner Vorstellung zu einer Mischung von Giftschlange und Al Capone geworden.
Ich rief die Auskunft an und ließ mir seine Adresse geben.
Er wohnte am Tarzana Drive, nicht weit vom Caballero Country Club und nicht weit von da entfernt, wo ich mich gerade befand.
Zwanzig Minuten später hielt ich dort. Er bewohnte das Parterre eines fünfstöckigen Hauses; links lagen offensichtlich die Praxisräume, rechts seine Privatwohnung.
Auf mein Klingeln öffnete mir eine ältere Sprechstundenhilfe; aus ihrem relativ langen, fahlblonden Haar schloß ich, daß sie weiblichen Geschlechts sein mußte. Sonst war das an nichts festzustellen, da sie einen weißen Mantel, lange weiße Hosen und eine Brille trug; und ihre Stimme war dunkel und rauh.
Ich sagte ihr, daß ich Doktor Howard sprechen müßte.
„Komm’ se nur ‘rein“, sagte sie jovial, „nur immer ‘rein, junger Mann — wo tut’s denn weh? Zuviel gesoffen, was?“
Ich hatte bei ihr das beruhigende Gefühl, daß sie von ihrem Chef tatsächlich nur als Hilfe engagiert worden war — ohne Hintergedanken.
„Ja, Pappi“, sagte ich, „viel zuviel. Mir ist schlecht — aber nicht in Bauch, sondern in Seele.“
Sie führte mich laut lachend in ein Wartezimmer, das einen dunkelblauen Linoleumboden hatte und mit kirschrot lackierten Möbeln ausgestattet war.
„Warten, junger Mann“, sagte sie, „der Doktor ist unterwegs, aber er kommt bald wieder. — Was zu lesen, oder könn’se nicht?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Lang her, Onkel, seit ich’s gelernt hab’.“
Sie musterte mich aus ihren verschmitzten kleinen Augen, die rings von vielen winzigen Fältchen umgeben waren.
„Der Teufel soll mich fressen“, sagte sie, „wenn Ihnen was fehlt. Was wollen Sie denn vom Boß?“
„Mit ihm reden, über Mister Pickles. Ich bin Detektiv.“
„Detektiv?“ fragte sie, und ihre kleinen Äuglein wurden größer und größer. „Detektiv? Hab’ mir doch gleich gedacht, daß Sie kein so’n Kanake sind mit Bauchweh oder so. Für Sie ist der Doktor nicht unterwegs. Aber warten müssen se doch, weil er in der Badewanne sitzt.“
„Ist er eigentlich verheiratet?“
„Nö, bis jetzt hab’ ich nichts davon gemerkt.“
Ich zwinkerte mit den Augen.
„Freundin und so?“ fragte ich.
Sie schnüffelte und zwinkerte auch.
„Möcht’s fast glauben“, brummte sie lachend, „er ist viel zu gesund, um nur zu beten.“
„Und wie lange sind Sie schon bei ihm?“
„Ein paar Jährchen.“
Ich versuchte, ihr Alter zu schätzen, aber sie erinnerte mich eigentlich nur an ein Ding, das ich mal in einem Museum gesehen hatte, und das war dreitausend Jahre alt gewesen.
„Und er hat trotz Ihrer Hilfe Patienten?“ fragte ich sie.
Sie lachte schallend auf.
„Gerade deshalb, junger Mann. Er ist viel klüger, als man es von einem Mann erwarten kann — überall woanders haben sie hübsche Fratzen, und das finden sie zum Kotzen langweilig. Wir schmeißen hier den Laden auf unsere Art.“
Sie holte sich eine einzelne Zigarette aus der Tasche ihres Chirurgenmantels, ich gab ihr Feuer, und sie fragte: „Rauchen Sie nicht?“
„Nein.“
Wieder musterte sie mich schnüffelnd.
„Dann sollten Sie vielleicht doch lieber zu einem Kinderarzt... übrigens, was ist denn los, daß der alte Pickles einen Detektiv auf den Kriegspfad schickt?“
Ich erklärte ihr einiges, aber nicht alles. Nach einer Weile sagte sie: „So, jetzt hat er lange genug gebadet. Ich hol’ ihn jetzt ‘runter.“
Etwa eine Viertelstunde später holte mich der Arzt in sein Sprechzimmer. Dieser Raum
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