Hibiskusblüten
essen, noch konnte man Schnaps daraus brennen, und vor allem waren sie keine Spur giftig.
Ich stellte fest, daß manche Arten von Hibiskus Nutzfasern für Hüte liefern; von anderen Arten werden die Früchte als Ambrettakörner für Räucherzwecke und zur Parfümherstellung verwendet; und aus den Wurzeln bestimmter Arten kann man einen heilsamen Tee zubereiten. Nirgends aber fand ich eine Angabe, was man aus den Blüten machen konnte. Und, was mir beinahe leid tat: sie waren völlig ungiftig und für Mordzwecke deshalb nicht geeignet.
Ich wälzte sogar, um nichts zu übersehen, meine Literatur über Gerichtsmedizin und Giftkunde — konnte aber auch hier nichts finden. Hibiskusblüten schienen mir plötzlich das Überflüssigste, was es an Pflanzen überhaupt geben konnte.
Und trotzdem hatte sie jemand gestohlen, raffiniert gestohlen, indem er sich den kleinen Unfug eines Kindes zu Nutzen gemacht hatte!
Wenn der Schlaf vor Mitternacht tatsächlich gesünder ist als der nach Mitternacht — wie viele Leute behaupten —, dann tat ich an diesem Abend enorm viel für meine Gesundheit: ich lag schon um neun Uhr im Bett. Immer wieder muß ich feststellen, daß man um so müder wird, je weniger man arbeitet; eine Erscheinung, die unsere Soziologen mehr beachten sollten!
Allerdings las ich noch fast eine Stunde in einem Kriminalroman. Dies ist durchaus keine Fachsimpelei von mir; vielmehr finde ich, daß nichts so wenig mit unserer Arbeit zu tun hat wie ein gut geschriebener Kriminalroman.
Als ich am nächsten Vormittag vor Mister Pickles Haus ausstieg, stand da ein großer, schwarzer Cadillac vor der Terrasse. Gerade erschien der Sekretär, McFellow, in der Tür und begleitete einen Herrn zu dem Wagen. Dieser Herr war groß, auffallend schlank und auffällig gekleidet! Er trug weiße Schuhe mit dicker Crepesohle, eine lange Hose aus sehr hellem Flanell, die weiter war, als es die Mode zur Zeit vorschrieb — und schließlich hatte er ein bordeauxrotes Sakko mit breiten wattierten Schultern an, das in den Hüften betont schmal gehalten war. Der Mann hätte der Trainer einer berühmten Canoemannschaft sein können.
In der linken Hand trug er ein kleines, viereckiges Köfferchen aus hellgelbem Schweinsleder, in der rechten hielt er weiße Handschuhe.
Er stieg in seinen großen Cadillac, zog sich die Handschuhe an, winkte McFellow kurz zu und brauste davon, daß der feine Kies spritzte und die Räder seines Wagens dunkle Furchen auf dem Wege hinterließen. Der Mann hatte mich überhaupt nicht beachtet.
Ich wartete auf der Treppe, bis der Sekretär heraufkam.
„Mister Pickles ist leider krank“, sagte er, „er wird Sie heute wohl kaum empfangen können.“
„Oh je — was fehlt ihm denn?“
„Etwas Fieber“, sagte er achselzuckend, „vermutlich eine leichte Erkältung. Er ist in dieser Hinsicht recht unvernünftig. Wenn er aus den Treibhäusern kommt, setzt er sich oft noch im Garten dem kühleren Bergwind aus — da hat man dann so was schnell weg, nicht?“
„Sicherlich.“
„Auf der Party gestern abend wird er sich erkältet haben. Gerade war der Arzt da, aber er sagte, es sei noch nicht schlimm.“
Ich machte eine Kopfbewegung zum Garten hin.
„War das der Arzt?“
„Ja. Das war Doktor Roger Howard. Er ist seit vielen Jahren unser Hausarzt.“
„Unter Hausarzt“, sagte ich, „stellt man sich gewöhnlich einen alten Herrn mit goldener Brille und weißem Bart vor. Doktor Howard ist noch recht jung, was?“
McFellow schüttelte lachend den Kopf.
„Schade, daß er das nicht gehört hat, es würde ihn sicherlich freuen. Nein nein, Doktor Howard ist einundfünfzig; aber er sieht tatsächlich noch sehr jung aus, Sie haben ganz recht. Sie wollten aber sicherlich mit Mister Pickles sprechen, nicht?“
„Erraten.“
„Wegen der Blüten?“
„Nein, wegen der steigenden Preise für Seegras.“
Er machte ein etwas beleidigtes Gesicht. Ich hatte wieder einmal vergessen, daß er auf solche Flaxerei sauer reagierte.
„Gedulden Sie sich bitte einen Augenblick“, sagte er förmlich, „ich werde ihm Bescheid sagen. Aber ich glaube nicht, daß er Sie empfängt.“
Er verschwand, und ich wartete auf der Terrasse vor dem Haus. Ich entdeckte Eves kleines Köpfchen an einem der Fenster. Sie legte einen Finger auf die Lippen und nickte mir zu.
McFellow kam zurück. In seinem Gesicht stand die Genugtuung darüber, daß Mister Pickles zu krank war, um mich empfangen zu können.
„Wie ich sagte“,
Weitere Kostenlose Bücher