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Hibiskusblüten

Hibiskusblüten

Titel: Hibiskusblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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mich mit seinen hellen Augen durchbohrend an.
    „Was gibt’s denn beim alten Pickles? Ich konnte dir gestern am Telefon so aus dem Handgelenk heraus nicht viel sagen. Der alte Knabe ist mir schon lange ein Dorn im Auge, weil man absolut nichts Nachteiliges über ihn schreiben kann. Hast du was mit ihm?“
    Ich erzählte ihm kurz das Wesentliche. Er hörte mir sehr aufmerksam zu, und als ich geendet hatte, sagte er: „Wetten, daß er selbst nun auch hopsgeht?“
    „Nein“, erklärte ich, „ich möchte nicht wetten. Denn wahrscheinlich würde ich diese Wette verlieren. Ich bin nämlich der gleichen Ansicht. Warum glaubst du, daß er sterben wird?“
    Er richtete sich ein wenig auf, um seinen Zigarettenstummel zum Fenster hinauszuwerfen, klopfte sich bei dieser Gelegenheit die Asche von der Jacke und zündete sich sofort wieder eine neue Zigarette an. Dann lachte er auf.
    „Weil ich gerade eine Pechsträhne habe. Von den bekannten Leuten stirbt mir jetzt einer nach dem anderen weg. Da wir schon lange nichts mehr über Pickles gebracht haben, hätte ich da vielleicht wieder mal was inszenieren können. Aber kein Mensch interessiert sich für einen toten Eiskremfabrikanten.“
    „Hast du keinen anderen Grund?“
    „Nein. Warum? Glaubst du etwas anderes?“
    „Ich habe das Gefühl“, sagte ich, „als ob die Hibiskusblüten da draußen eine rätselhafte Rolle spielten. Ich glaube, daß die Pickles gar nicht an Lungenentzündung sterben, sondern an etwas ganz anderem, das nur so aussieht wie eine Lungenentzündung. Aber ich kann’s nicht herausfinden woran. Weder sind die Hibiskusblüten giftig, noch weiß jemand etwas davon, daß ihr Duft Lungenentzündung hervorruft.“
    „Schweinerei“, murmelte Lewis, dem schon wieder die Asche aufs Jackett gefallen war. Er staubte sie ab, schaute mich an und wiegte den Kopf.
    „Noch zu früh“, sagte er, „wir müssen warten, ob der Alte wirklich stirbt. Zwei Lungenentzündungen hintereinander mit tödlichem Ausgang gäben dann schon mindestens eine ganz lustige Schlagzeile und ein interessantes Artikelchen.“
    Er starrte eine Weile vor sich hin, sprang plötzlich auf und ging mit langen Schritten in dem kleinen Raum auf und ab. Er machte dabei Handbewegungen, als ob er stritte, und murmelte halblaute Worte vor sich hin, die ich nicht verstand. Zuletzt blieb er vor mir stehen.
    „Du“, rief er, „ich mach’ da eine märchenhafte Sensation draus! War dieser Doktor nicht in der Südsee?“
    „Doch. Aber du kannst doch nicht...“
    „Großartig! Natürlich kann ich. Ich schreibe einen Artikel und behaupte, daß die beiden alten Leutchen auf eine höchst rätselhafte Art umgekommen sind. Ich erwähne die Hibiskusblüten und lasse so ganz nebenbei durchblicken, daß der Hausarzt lange Zeit in der Südsee war — das kann man schon so frisieren, daß die Leser merken, was ich sagen will. Und du wirst sehen, es gibt einen fürchterlichen Rummel.“
    „Das kann ich mir vorstellen“, meinte ich, „aber Doktor Howard scheint mir nicht der Mann zu sein, der so was mit sich machen läßt. Er wird dir einen Prozeß anhängen.“
    „Soll er!“ jubelte Lewis, „soll er doch! Für so was haben wir ja einen besonderen Fonds. Außerdem schreibe ich schon viel zu lange, um meine Sätze nicht so formulieren zu können, daß er mit dem Prozeß ausrutscht.“
    „Trotzdem“, hielt ich ihm entgegen, „wirst du nicht viel machen können. Vorerst...“
    „Ach was!“ unterbrach er mich. „Ich brauche Sensationen, und wenn ich keine habe, dann mach’ ich eben welche. Dafür werde ich bezahlt. Ich werde… wart’ mal! Wart’ mal!“
    Er machte eine beschwörende Handbewegung und schaute mich aus zusammengekniffenen Augen an. Ich merkte, wie sein Blick durch mich hindurchging.
    „Ich hab’s!“ sagte er. „Ich habe die Schlagzeile schon:
    ,Der blühende Tod’
    Ich werde schreiben, daß das geheimnisvolle Verschwinden der Blüten jedesmal einen Todesfall nach sich zog. ,Der blühende Tod’ — das ist eine Schlagzeile! Die ist allein schon zehn Dollars für jeden einzelnen Buchstaben wert.“
    „Vorerst“, dämpfte ich seine Hoffnungen ab, „ist Mister Joshua Pickles noch viel zu lebendig. Darüber hinaus ist Doktor Howard ein Arzt mit einer offensichtlich guten Praxis, der sehr auf seinen Ruf bedacht ist. Ich bin überzeugt, daß er den Alten ins Krankenhaus bringt, um für alle Fälle die Verantwortung von sich abzuwälzen. Für einen Arzt ist es keine gute Reklame,

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