Hibiskussommer
buchstabieren – in keinem Alphabet, auch wenn die Leute behaupten, Griechisch sei phonetisch, aber wenn ich diese ganzen bizarren Buchstaben ansehe, komme ich total durcheinander. Das Einzige, was man über diesen Strand wissen muss, ist, dass er absolut NICHTS mit denen bei uns gemeinsam hat. Echt.
Zum einen sind hier alle Strände einfach nur Strände und sonst gar nichts. Sie halten nicht als Speisesäle, Mini-Einkaufszentren oder Fitnessstudios her wie die meisten bei uns.
Außerdem gibt es da lebendige, atmende Meereslebewesen ziemlich nahe am Ufer, was bei uns auch nicht vorkommt.
Als wir also unsere Handtücher ausgebreitet hatten und es uns bequem machen wollten, hat mir Tassos ein paar Flossen, eine Taucherbrille mit Schnorchel und einen großen Netzbeutel zugeworfen und mir gesagt, ich solle dicht, aber nicht zu dicht hinter ihm bleiben.
Und als wir ins Wasser gegangen sind (was hier übrigens viel leichter ist, weil man sich nicht unter den Wellen hindurchducken muss, denn es ist total glatt), habe ich die Sachen angezogen und mich bemüht, mit ihm mitzuhalten, als er rausgeschwommen ist zu den Felsen und nach Tintenfischen und Seeigeln gesucht hat. Ich habe ja bezweifelt, dass wir welche finden würden, es kam mir total komisch vor, so nah am Strand irgendwelche Tintenfische zu vermuten. Ich dachte immer, dass sich Tintenfische GANZ WEIT DRAUSSEN verstecken, eher an Orten, die man nur mit einem Schiff oder einem U-Boot erreichen kann und weniger dort, wo man mit einem Schnorchel und Flossen hinkommt. Aber ob man es glaubt oder nicht, es gab so viele, dass man sich welche aussuchen konnte, und ich habe erstaunt zugesehen, wie er drei davon MIT BLOSSEN HÄNDEN (!) gefangen und in den Beutel gesteckt hat, den ich hielt.
Außerdem muss ich erwähnen, dass meine Tante die ganze Zeit, als Tassos und ich schwimmen waren, am Strand gelegen und eines ihrer Bücher gelesen hat, UND ZWAR OBEN OHNE !!
Im Ernst!
Ihr könnt mir glauben, ich wünschte, das wäre ein Witz, aber soweit ich das hier sehen kann, sind am Strand so ziemlich alle oben ohne!
Na ja, alle AUSSER MIR !
Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das jemals tun werde. Ich meine, es ist doch einfach zu merkwürdig und ich habe mich echt unwohl gefühlt. Ich konnte meine Tante kaum ansehen, bis es Zeit wurde, nach Hause zu gehen, und sie ihr T-Shirt wieder angezogen hat.
Als wir dann später wieder zu Hause waren und alle geduscht hatten und so, hat Tassos den Tintenfisch zubereitet und einen großen griechischen Salat gemacht, während ich Tally beim Kartoffelschälen für selbstgemachte Pommes geholfen habe. Dann haben sie den Wein geholt (ja, sogar ich habe ein Glas bekommen) und eine Beatles- CD aufgelegt (oh ja, ich vergaß zu erwähnen, dass sie kein Problem mit Musik hat, nur mit Fernsehen) und wir haben draußen gegessen und das alte Lied »Here comes the sun« gesungen.
Allerdings haben wir stattdessen »Here goes the sun« gesungen, weil wir dabei den Sonnenuntergang betrachtet haben.
Das hört sich zwar wahrscheinlich alles recht blöd und voll öde an (war es ja auch eigentlich), aber trotzdem hat es in gewisser Weise auch Spaß gemacht.
Aber auch nur, weil es hier so langweilig ist, dass so etwas schon mehr ist, als man erwarten kann.
Das Dumme ist nur, dass ich erst jetzt ins Internetcafé gehen konnte. Und da es schon ziemlich spät ist, gibt Petros mir seit fünf Minuten das internationale Zeichen, dass ich verschwinden soll – soll heißen, er steht an der Tür und winkt mich hinaus. Was wiederum heißt, dass er in einer halben Minute kommt und mich am Arm hinauszerrt.
Ich schwöre, die sind hier nicht sehr kundenorientiert!
Aber bevor ich gehe, sollte ich noch sagen, dass ich auf dem letzten Bild gerade Tintenfisch esse – was zwar eigentlich eindeutig ist, aber dennoch schwer zu glauben. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal erleben würde, denn – würg!
Ich lächle nur, weil Tassos die Kamera hatte und ich seine Gefühle nicht verletzen wollte.
Außerdem, Ihr wisst ja, was man sagt: »Andere Länder, andere Sitten …«
Na gut, jetzt zerrt mich Petros am Arm und brabbelt irgendetwas auf Griechisch. Und auch wenn ich keine Ahnung habe, was er sagt, ist der Tonfall eindeutig.
Also … Gute Nacht!
Bitte, bitte schreibt mir!
Colby
25. Juni
Lieber Dad,
vielen Dank, dass Du mir endlich Deine neue Adresse geschickt hast, auch wenn ich sagen muss, dass es schon komisch ist, mir Dich in einer Wohnung
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