Hidden Moon
einer anderen Szenerie zugehörig, auf nicht zu beschreibende Weise ausgeschlossen aus der Wirklichkeit.
Ein metallisches Klicken fügte dem, was wie eine Glocke über ihnen lag, Risse bei.
Ein Donnern ließ sie zerspringen!
Hidden Moon stöhnte schmerzvoll auf. Dunkles Blut spritzte aus der Schußwunde in seiner Schulter, sprühte wie feiner Nieselregen in Liliths Gesicht. Gerade noch widerstand sie dem Reflex, die Zunge über die Lippen fahren zu lassen, um wenigstens ein Tröpfchen zu erhaschen.
Der Wunsch, es doch zu tun, verging noch in derselben Sekunde.
Andere Dinge gewannen sprunghaft an Bedeutung.
Dinge, wie beispielsweise das eigene Leben zu verteidigen.
Denn die anderen stürzten sich geschlossen auf sie!
*
Zuerst war Lilith versucht, die dunkle Bestie aus den Kerkern ihres Innersten zu entlassen. Es geschah im Angesicht der drohenden Gefahr, der geifernden Angreifer fast wie von selbst.
Im allerletzten Moment verhinderte sie, daß die imaginären Kletten vollends rissen.
Zum einen, weil sie nicht wußte, ob sie jenes Monstrum, das ihr Tun und Denken erobern wollte, je wieder hätte bezähmen können bei dem mörderischen Blutdurst, den sie litt.
Und zum anderen, weil es Menschen waren, die sich ihnen da entgegenwarfen. Menschen, die zwar unter fremdem Einfluß standen und die den Wert des eigenen Lebens in dieser Situation regelrecht verachten mochten. Aber sie, Lilith, hatte nicht das Recht, sie für etwas zu strafen, das nicht eigenem Antrieb entsproß.
Was sie indes nicht hinderte, sich zu verteidigen. Unter allem Einsatz jener Kraft, die ihrem Körper auch im »Normalzustand« inne-wohnte und die eines Normalsterblichen bei weitem überwog.
Daß sie dennoch zwei, drei schmerzhafte Hiebe einstecken mußte, die sie hart gegen die Theke prallen ließen, lag daran, daß sie aus den Augenwinkeln zu Hidden Moon hinschielte. Weil sie nicht wußte, ob er ähnliche Skrupel hegte.
Offenbar war es so. Noch .
Im nächsten Moment füllte eine schwielige Faust ihr Blickfeld zur Gänze aus.
Der Schlag ließ Liliths Lippen aufplatzen und sie ihr eigenes Blut schmecken, bevor die Wunde sich wie im Zeitraffer schloß. Davon ließ sich jedoch keiner der anderen irritieren. Sie wußten, gegen Wesen welcher Art sie angingen, standen sie doch selbst im Bann eines solchen.
Dem nächsten Angreifer, der sich mit wirbelnden Fäusten auf sie stürzen wollte, setzte Lilith den hochgerissenen Fuß auf die Brust, nutzte den Ansturm des anderen noch, um ihn in Schwung umzuwandeln, und stieß ihn dann kraftvoll zurück. Dabei riß der Kerl noch zwei seiner Kumpane mit sich zu Boden und verschaffte Lilith für eine halbe Sekunde Luft.
In dieser winzigen Zeitspanne registrierte sie einen von der anderen Seite heranfliegenden Schatten. Ein Mann, der hinter der haßverzerrten Maske aussah wie ein biederer Familienvater, war gesprungen und wollte sich regelrecht auf die Halbvampirin werfen.
Lilith fing seinen Sprung mit beiden Händen ab und verlängerte ihn in derselben Bewegung, indem sie den Gegner hinter die Theke warf. Dort schlug er wie eine Granate ein, ehe er in einem Splitterregen schreiend zu Boden stürzte.
Einem weiteren Angreifer drückte Lilith die Nase mit ihrem Ellbogen eine Spur tiefer ins Gesicht, während sie dem nächsten in der Rückbewegung des Armes die Faust unters Kinn setzte.
Ein wölfisches Knurren zwang sie, sich herumzudrehen. Eine Ahnung keimte in ihr, und sie fand sie bestätigt, als sie Hidden Moon sah.
Er kämpfte noch immer mit den Mitteln, die seine menschliche Gestalt ihm bot. Aber er fand im Eifer des Gefechtes kaum mehr genügend Konzentration, um das andere in sich zu unterdrücken. Seine Augen funkelten schwarzen Sternen gleich in seinem vor Anstrengung verzerrten Gesicht. Das unter der Angriffslust brodelnde Blut derer, die ihn angingen, mußte ihn regelrecht an den Rand der Selbstbeherrschung peitschen.
Wenn er auch nur einen von ihnen so verletzte, daß dieses Blut nicht mehr nur unsichtbar floß ...
»Hidden Moon!«
Lilith schrie seinen Namen, während sie sich fast mechanisch weiter zur Wehr setzte. Sie fing seinen gehetzten Blick auf.
»Du darfst sie nicht verletzen!« rief sie.
Etwas Warmes näßte ihr Gesicht, nur in Form einiger feiner Tröpfchen. Sie mußte nicht mit den Fingern darüber fahren, um sich zu vergewissern. Denn sie sah das Blut aus der schiefen Nase eines der Angreifer quellen.
Hidden Moon brüllte auf, und seiner Stimme haftete kaum mehr
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