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Hier hat s mir schon immer gefallen

Titel: Hier hat s mir schon immer gefallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx Melanie Walz
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Bewusstsein.«
    »Du lieber Himmel, ja! Wurde von einem Pferd getreten, weiter nichts. Ist mir selber schon hundertmal passiert. Er hat die ganze Fahrt über geredet und gelacht. Hat Witze gerissen. Wir haben vorhin kurz bei seinem Haus angehalten, um seiner Frau Bescheid zu sagen.«
    Doc Plumworth hatte sich weit über den Rücksitz gebeugt, um Hi zu untersuchen.
    »Tja, jetzt reißt er keine Witze mehr. Er ist tot. Von einem Pferd getreten? Dass ich nicht lache …«
     
    Helen hörte Fenks Crosley wieder vorfahren. Das ging aber schnell, dachte sie. Der Kaffee war frisch aufgebrüht, und sie wärmte das Lammragout auf. Sie öffnete die Tür und sah Fenk. Er stand vor ihr, bewegte die Lippen, flüsterte etwas schwer Verständliches wie »Blutgerinnsel« und sah sie dann mit weit aufgerissenen Augen an. Ihre Gedanken verknäuelten sich wie alte Violinsaiten in einem Karton. Die Zivilisation schwand, und die urtümliche Verständigung von angespannten Muskeln, stoßweisem Atem, zuckender Gurgel und gekrümmten Fingern sagte, was die Sprache nicht sagen konnte. Helen wusste, was Fenk noch nicht gesagt hatte und nicht mehr zu sagen brauchte.
    Und sie schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

Die Bisonjagd
    Als unser Haus gebaut wurde, entdeckten die Arbeiter eine alte Feuerstelle. Eine Radiokarbonuntersuchung ergab ein Alter von zweieinhalbtausend Jahren, lange Zeit bevor die Indianer Pferde oder Pfeil und Bogen besaßen. Andere Feuerstellen, Steinkreise - sogenannte tipi rings -, Steinkeile und eine Feuersteinfundstätte bezeugen die frühe Gegenwart von Indianern. Gegenüber dem Haus liegt eine Kalksteinklippe, wo in alten Zeiten Bisons gejagt worden sein können, indem man sie in den Abgrund trieb. Aus der Vorstellung jener Zeit und einer solchen Jagd entstand die folgende kleine Geschichte.
    Nach und nach verstummten die vertrauten Geräusche von Nacht und Schlaf. Einige Männer erwachten sofort und stützten sich auf die Ellbogen, lauschten der Veränderung. Die kühle Luft kündigte den Herbst an. Im bläulichen Licht der Senke stritten Kojoten. Eine satte Eule heulte auf der Insel, und der Fluss zwängte sich zwischen den sonnengewärmten Steinen hindurch. Doch das waren gewöhnliche Geräusche, und sie hatten die Männer nicht geweckt. Die Stille hatte ihren Schlaf gestört, das Fehlen einer Stimme. Der Schamane hatte zu singen aufgehört. Nacht für Nacht hatte der eintönige Rhythmus seiner Gebete und Beschwörungen den feierlichen Hintergrund der Träume des Stammes gebildet. Seine bittende, flehende Stimme war so elementar geworden wie das Zirpen der Heuschreckenflügel oder die Schreie fliegender Kraniche, die wie Rasselgeklapper klangen. Der alte Mann, der während der feierlichen Beschwörungen nicht essen durfte, war abgemagert, und seine Stimme war fast unhörbar geworden. Doch nun schwieg er nach vollbrachter Arbeit, und in die Leere der Stille kam Erregung.
    Die Männer, die als Erste erwacht waren - die Jäger -, spitzten die Ohren, um den hörbaren Fluchtpunkt zu erlauschen, die fernen Töne, die nur für das innere Ohr vernehmbar waren. Die Erfordernis, Fett zuzulegen und Nahrung für den baldigen Winterhunger aufzubewahren, machte die Männer besonders empfänglich für leise Veränderungen in der Natur: dicke Wolken, die sich am Himmel rieben, als führe ein Finger über Haut, das Zittern eines vereinzelten Grashalms in windstiller Luft, das eine unterirdische Bewegung verriet. Manche konnten am Jodgeruch von Seetang erkennen, dass Stürme vom fernen Ozean hereinwehten. Die Blätter an einigen Pappelzweigen hatten sich bereits tiefgelb gefärbt; der erste Frost hing über ihnen wie Schleier spärlichen Regens, die nicht bis zum Erdboden gelangten.
    Unter ihren Seufzern und Herzschlägen spürten sie das Tosen der Bisons tief im Erdinneren, ein Brüllen, das Felsgestein erbeben ließ und versprach, dass etwas lange Erwartetes bald geschehen würde. Das Schweigen des Schamanen verwandelte diese Hoffnung in Erwartung, in die aufregende Aussicht auf Blut und Fleisch, denn auf ihren Wanderungen durch die Welt kamen die Bisons nun ganz gewiss zu ihnen.
    Die Männer erhoben sich, gingen hinaus, um sich in das Beifußgebüsch zu erleichtern, und suchten mit dem Blick den Himmel nach einer Botschaft ab. In dem Zwielicht vor der Morgendämmerung war er flach und farblos, als hätte man ihn mit einem Hirschhorn glattgerieben. Er gab nichts preis. Es würde ein heißer, erstickender Tag werden, der bestätigte,

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