Hier, jetzt und vielleicht für immer
nicht erst, die Müdigkeit und Niedergeschlagenheit zu verbergen, die sie von der Arbeit mit nach Hause genommen hatte.
„Da fragt man sich, wie die Menschheit so lange überlebt hat, wenn wir einfach hingehen und uns gegenseitig umbringen.“
Verwundert musterte Sara sein markantes attraktives Profil. „Wieso sagst du das?“
Er richtete die Aufmerksamkeit auf das Meer. „Einfach so. Weil man in den Nachrichten fast nur noch Horrormeldungen zu hören kriegt.“
Sie vermutete, dass mehr hinter der Bemerkung steckte, aber sie hakte nicht nach. Stattdessen nahm sie noch einen Schluck Limonade und freute sich daran, dass sie mit einem gut aussehenden Mann an ihrer Seite am Strand saß, während ihre Töchter übermütig mit dem Drachen spielten. Das verdrängte ein wenig die Hässlichkeit der vergangenen Tage.
„Also, wie stehen die Dinge? Gehst du demnächst ohne die Mädchen im Schlepptau mit mir aus?“, fragte Adam auf seine typische flapsige Art.
Sie schmunzelte. „Vielleicht.“
„Immerhin kein klares Nein“, murmelte er und lachte laut, als der Drachen abstürzte und Lilly mitten auf den Kopf fiel.
Adam wusste, dass er das Schicksal herausforderte, aber er konnte nichts dagegen tun. Von dem Moment an, als Sara ihm vom Pier aus nachgesprungen war, funktionierte sein Verstand nicht mehr richtig.
Einen Tag nach dem Ausflug zum Strand tauchte sie zu seiner Überraschung nach Dienstschluss im Beach Bum auf. Sie nahmen nur einen Drink zusammen, aber er empfand es als angenehm.
Tags darauf trafen sie sich zum Lunch. Nach dem Essen hielt er mit ihr Händchen. Sie schien sich nicht daran zu stören.
Am nächsten Abend war er zum Grillen bei ihr zu Hause eingeladen. Auf dem Weg zu ihr musste er sich eingestehen, dass sie nicht nur seine Gedanken beherrschte, sondern ihm gewaltig unter die Haut ging. Der Teil von ihm, der geschworen hatte, sich nie wieder ernsthaft auf eine Frau einzulassen, lehnte sich dagegen auf. Doch sein Herz verdrängte diese Bedenken in den allerletzten Winkel seines Hinterstübchens.
Mit Sara zusammen zu sein, vermittelte ihm ein Glücksgefühl, wie er es seit langer Zeit nicht mehr erlebt hatte. Nicht seit jenen heißen betörenden Tagen mit Jessica.
Bei dieser Erkenntnis trat er das Bremspedal bis zum Bodenblech durch und bog in eine Parklücke ein. Der kalte Schweiß war ihm ausgebrochen. Er konnte das nicht noch einmal durchstehen. Was dachte er sich bloß dabei?
„Was machst du denn hier?“
Er schreckte aus jenen fernen Erinnerungen auf. Zac stand neben dem Auto, mit einem bunten Blumenstrauß in der Hand.
Ein paar Sekunden verstrichen, bis Adam registrierte, dass er vor dem Blumenladen stand. Verdammte Kleinstadt! An jeder Ecke stößt man auf Bekannte, wenn es einem überhaupt nicht in den Kram passt.
Zac beugte sich zum Fenster herein. „Geht’s dir nicht gut?“
Am liebsten wäre Adam aus der Parklücke gerast und so lange gefahren, bis er den Erinnerungen entflohen war, die ihn keinen Frieden finden ließen.
In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er seit einiger Zeit nicht mehr von Jessica träumte. Nicht seit dem Tag des Drachenfluges.
„Doch, doch. Alles klar. Ich dachte, der Motor wäre zu heiß geworden, aber die Kontrollleuchte ist gerade wieder ausgegangen.“ Die Ausrede klang lahm, aber ihm fiel nichts Besseres ein.
„Aha“, murmelte Zac skeptisch, als wüsste er genau, worum es in Wirklichkeit ging.
Doch das war höchst unwahrscheinlich. Adam hatte nie ein Wort über Jessica noch die Albträume oder den wahren Grund verloren, aus dem er aus der Armee ausgeschieden war. Für Zac war er nichts weiter als der unbekümmerte Müßiggänger, der unverbesserliche Charmeur.
Die innere Leere der vergangenen Jahre überwältigte ihn plötzlich aus unerklärlichem Grund. Er wollte es doch nicht anders, oder? Keine Verantwortung für nichts und niemanden, sich durch das Leben treiben lassen bis zum Ende.
Gedanken an David und Sara drängten sich ihm auf. Verwandelte er sich etwa in sein altes Ich zurück? Trat die Persönlichkeit wieder zutage, die ihn früher ausgemacht hatte? Bevor die Bombenexplosion ihn weit schlimmer verletzt hatte, als nach außen hin sichtbar war?
„Ich muss weiter“, sagte Adam ohne nähere Erklärung. Er musste dringend fort von den neugierigen Fragen und von dem verdammten Eheglück seines Freundes.
Er wendete und ignorierte das schlechte Gewissen, das immer stärker wurde, je weiter er sich von Saras Haus entfernte.
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