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Hier kommt Hoeneß!

Hier kommt Hoeneß!

Titel: Hier kommt Hoeneß! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pattrick Strasser
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Ulm, dem Stadtrivalen. Kumpel Kurt kickte stets eine Jahrgangsstufe unter ihm, gemeinsam mit Dieter Hoeneß. Das Training und das Konditionsbolzen wurden mit der Zeit immer ernsthafter, zielstrebiger. Papa Erwin, der ja ohnehin wegen seiner Arbeit früh aufstand, musste seinen Sohn Uli jeden Morgen je nach Jahreszeit um fünf oder sechs Uhr wecken. Der tägliche Waldlauf mit ein paar Kumpels stand an. »Die meisten von uns haben dabei nur Blödsinn gemacht, sind über Gartenzäune gesprungen, haben Erdbeeren geklaut«, erzählt Stark, »nur der Uli nicht, der ist weitergerannt, hat sich nicht beirren lassen.« Früh spürte Hoeneß, dass er auf dem richtigen Weg war in Richtung einer großen Karriere: württembergische Schulauswahl, süddeutsche Schülerauswahl, mit 15 deutsche Jugendnationalmannschaft. Und der Ehrgeiz nahm nie ab. Sein Jugendleiter Roland Schmidle, ein Dachdecker, hielt große Stücke auf ihn: »Mit seinem Ehrgeiz hätte er in jeder anderen Sportart auch etwas erreichen können. Er hat immer Einsatz gezeigt, gerade weil er ja auch ein wenig pummelig war.« Längst hatte er begonnen, an dieser Schwäche zu arbeiten. »Ich war nämlich zu langsam und nicht ausdauernd genug«, sagt Hoeneß im Rückblick. »Mit 18 wurde ich dann in Ulm Winterwaldlaufmeister über 2000 Meter und bin die 100 Meter in elf Sekunden gelaufen. Ich wollte die soziale Leiter hochsteigen. Ich habe im Fußball für mich eine Chance gesehen.«
    Bruder Dieter war da ganz anders. Eher ein Träumer, weniger zielstrebig. Weil er der Jüngere war, musste er oft parieren, wie Schmidle noch weiß. »Dieter stand immer in Ulis Schatten, der gab den Ton an. Weil er dem älteren Bruder nacheifern wollte, gehorchte er, ohne groß zu murren.« Also musste Dieter beim Bolzen meist ab ins Tor. Wenn es dann eine gehörige Portion Gegentore setzte, blaffte ihn Uli an. Er hatte das Gefühl, vorne für die Tore sorgen zu müssen, die der Kleine seinem Team hinten als Torwart eingebrockt hatte. Bei Dieter flossen Tränen, er packte seine Sachen und trottete nach Hause.
    Dort reagierte er sich dann ab – mit Malen. Anders als Uli hatte er eine künstlerische Ader, war auch musikalisch. »Er war ein Hänfling«, sollte der ältere Bruder später über den jüngeren sagen, »erst mit 16 ist Dieter unglaublich gewachsen. Anfangs blieb er dünn, dann ist er auch in die Breite geschossen. Er war dann ein richtiger Bär.« Hochsprung war seine Sache, Leichtathletik allgemein, ein bisschen Basketball, Fußball jedoch eher weniger. Dieter war ein Spätzünder. Erst mit 18 Jahren begann er, konsequent Fußball zu spielen. Da war der größere Bruder schon drei Jahre Juniorennationalspieler. Erst als 22-Jähriger hat Dieter seine Fußballerkarriere beim VfB Stuttgart so richtig gestartet. Vorher studierte er in Tübingen Sport und machte an den Wochenenden lieber Ausflüge zum Windsurfen oder in die Alpen. Das Witzigste und Skurrilste, für die Eltern aber wohl Schrecklichste überhaupt mutet fast wie Verrat an: Dieter war Vegetarier. »In einer Metzgerfamilie eine Katastrophe«, wie Uli später einmal gestand.
    Uli Hoeneß dagegen verzichtete selten auf ein Schnitzel. Auch als Verantwortung gefragt war, konnte er kaum einmal Nein sagen. Irgendein Amt musste er immer innehaben, eine innere Stimme drängte ihn wohl dazu. Er war Ministrant, Laienschauspieler, Schulsprecher – und spielte auch auf dem Schubarth-Gymnasium, einer reinen Jungenschule, eine führende Rolle. Kraft-Otto Steinle, über mehrere Jahre Hoeneß’ Klassenlehrer, sieht den jungen Uli noch vor sich, wenn er heute erzählt: »Er war eine Autorität im Klassenzimmer, weil er beides vereinen konnte: sich auf den Fußball konzentrieren und dennoch gut sein in der Schule. Daher habe ich seine Eltern nie kennengelernt, die mussten ja nie in die Sprechstunde kommen. Uli machte keine Sorgen.« Er war eher der Streberfraktion zuzurechnen, ein »Gscheitle«, wie man in Schwaben sagt, aber ein sympathischer und äußerst selbstbewusster. »Arrogant war er nicht, er wollte nicht unangenehm auffallen«, erinnert sich Steinle, »seine Meinung hat er stets ganz diplomatisch vertreten. Dieses Aufbrausende in Interviews, das als Bayern-Manager ab und an aus ihm herausbricht, war damals nicht zu erkennen.« Die Mitschüler schauten heimlich zu ihm auf, weil er gut war trotz all der Fehlstunden wegen der ständigen Berufungen in die Jugendnationalmannschaft. Fast zwangsläufig wurde er erst Klassensprecher,

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