Hier kommt Hoeneß!
die Chance und überredete Hoeneß, dem Verein in der laufenden Spielzeit im Kampf gegen den Abstieg zu helfen. Zwei Wochen später feierte Hoeneß im Club-Trikot sein Comeback, bei einem 0 : 2 gegen Schalke. Aber Hoeneß sah darüber hinweg, dass er plötzlich in einer Mannschaft gelandet war, die mehr Spiele verlor als gewann. Er bestritt zehn Partien, allesamt von Anfang an. Doch der Körper machte bald nicht mehr richtig mit, das mehrfach operierte Knie hielt den Belastungen einfach nicht mehr stand. Im Bochumer Ruhrstadion absolvierte Hoeneß schließlich am 20. März 1979 sein letztes Spiel im Profifußball, der Club verlor 1 : 2. Als Hoeneß nach 55 Minuten ausgewechselt werden musste, ersetzte ihn Miodrag Zivaljevic. Immerhin, eine Marke hatte Hoeneß damit noch erreicht, das Bochum-Spiel war sein 250. Bundesligaeinsatz. Sein Körper aber war es, der ihn letztlich bezwungen hat. Wegen einer Knieverletzung, die bei Profis heutzutage lediglich eine mehrmonatige Pause nach sich zieht, musste Hoeneß mit nur 27 Jahren seine Fußballerkarriere beenden. Die Mannschaftskollegen waren geschockt. »Er konnte einem richtig leidtun mit all den 1000 Salbenverbänden, die er immer drauf hatte. Nach den Operationen waren seine Knie immer angeschwollen«, hatte Sepp Maier beobachtet. »Es war besser für ihn, einen Schlussstrich zu ziehen.«
Was das allerdings für Hoeneß bedeutete, was für eine unvorhergesehene Chance sich für ihn im Anschluss auftat, ist eine glückliche Fügung seines Lebens. Er hatte Fußball immer als einen Lebensabschnitt betrachtet, der irgendwann vorbeigehen würde. Er wollte so lange spielen, wie er es für richtig hielt und körperlich dazu in der Lage war. Daher ging Hoeneß relativ nüchtern mit seinem frühen Karriereende um. Unmittelbar nach seiner Entscheidung, diesen Weg zu gehen, diesen riskanten Schritt zu wagen, sagte er im Sommer 1979: »Ich hätte noch zwei, drei Jahre spielen können. Aber jetzt war der Zeitpunkt da, an dem ich die Möglichkeit zu einem nahtlosen Übergang ins andere Berufsleben gesehen habe. Wer weiß denn, ob in zwei, drei Jahren noch ohne Probleme diese Möglichkeit bestanden hätte, einen anderen Beruf zu ergreifen. Jetzt war die Chance da.«
Hoeneß wurde der jüngste Manager der Bundesliga-Geschichte, und das beim großen FC Bayern. Er, der kleine Uli aus Ulm.
4. Gutes Fleisch
Unten, im Erdgeschoss, ist nun ein Getränkemarkt, im oberen Stockwerk eine Wohngemeinschaft. Es gibt kaum noch etwas, das dort in Ulm, am Eselsberg Hausnummer 1, an die Metzgerei der Eltern von Uli Hoeneß erinnert. Das Gebäude ist heute grau verputzt, der Wohnbereich wirkt, als wäre er dem Laden darunter per Kran aufgesetzt worden. Oben grau, unten bunt. Im Fenster des Marktes hängt eines dieser Leuchtschilder nach amerikanischem Vorbild: »Open« blinkt es dann in verschiedenen Farben während der Öffnungszeiten. Ein weiß-blau abgesetzter Vorhang schützt die Getränkekisten im Sommer vor der Hitze. Über den grauen Minifliesen im Mosaikmuster, garniert hier und da mit einigen bunten Quadraten, klebt ein tellergroßes Coca-Cola-Werbeschild, an einer Seite des Eingangs mit den drei Stufen steht ein Blumenkübel. Ein Tante-Emma-Laden, wie man ihn sich vorstellt, mit viel Schnickschnack. Allerdings von außen ohne jeden Hinweis darauf, dass es sich einmal um eine Metzgerei gehandelt hat. Abgesehen von diesem Duft. Na ja, es ist eher ein Geruch, ein strenger, süßlich schwerer Geruch. Einen der hinteren Räume des Parterres nutzen die Betreiber des Getränkemarktes als Abstellraum für ein paar Fahrräder. Früher war das der Kühlraum der Metzgerei. Das kann man heute noch nachvollziehen, riechen eben. Ein Raum ohne Fenster, alles war gelb gefliest. Hier bewahrte man die Fleischwaren auf, die an Haken von der Decke herabhingen. Vorne war dann der eigentliche Verkaufsbereich, der Laden, gefliest bis kurz unter die Decke. Hier wurden die Kunden bedient.
Da stand Hoeneß schon als kleiner Uli. Wenn es sein musste, hat er bereits als Zehnjähriger an der Kasse ausgeholfen. Denn in seinem Elternhaus wurde nie mehr Geld ausgegeben als eingenommen, schon gar nicht für Personal, also half die Familie aus. Nie mehr Geld ausgeben, als man eingenommen hat – eine Losung, die Hoeneß später zur Maxime seiner Tätigkeit als Bayern-Manager machen sollte. Für Uli und seinen ein Jahr jüngeren Bruder Dieter waren Mutter Paula und Vater Erwin Vorbilder. Im Rückblick sagte Hoeneß einmal
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