Hier kommt Hoeneß!
auch diese Riesenfalter, die einem ständig ins Gesicht geflogen sind.« Die nervenden Insekten werden nur noch von den übermotivierten Gegnern übertroffen. Wer mit den Umständen klarkommt, muss fürchten, verletzt zu werden. Zur Halbzeit liegen die Bayern schließlich gegen die Amateure zurück, es droht eine peinliche Blamage, Hoeneß bangt um weitere Einladungen, stürmt in die Kabine und brüllt die Spieler an: »Ihr spielt einen Mist zusammen! Könnt ihr euch nicht zusammenreißen? Es geht um unseren Ruf!« Schweigen in der Kabine, bis Breitner kontert: »Halt die Klappe! Wir machen unseren Job, mach du deinen!« Im Streit wirft er seinem Kumpel das Trikot vor die Füße, zieht die Schuhe aus und weigert sich weiterzuspielen.
Ein kleinlicher Zoff mit gewaltigen Konsequenzen, die man in der Heimat damals nicht erahnen konnte, weil nur wenige Reporter mit nach Asien gereist waren. Man hielt telefonisch Kontakt. In der »Abendzeitung« vom 13. Juni 1983 sprach Hoeneß noch »von einer perfekt organisierten Traumreise«, die Auswechslung Breitners habe mit dessen erheblichen Schmerzen am lädierten rechten Knöchel zu tun. Eine Schutzbehauptung, die im Zeitalter ohne Handys und Internet noch möglich war.
Erst wenige Tage später kam auch in München das Zerwürfnis ans Licht. Zu allem Überfluss sah Breitner im Abschlussspiel der Reise gegen eine Stadtauswahl von Hongkong die Rote Karte. In einem Telefoninterview mit der »AZ« erläuterte Hoeneß seine Version des Streits: »Die Ursache liegt wohl in dem eskalierenden Krach zwischen Breitner und mir, der in Singapur entstand, als ich den Norbert Nachtweih zu rügen gewagt habe. Als Paul mich deswegen angriff, habe ich ihn vor versammelter Mannschaft zurechtgewiesen. Das stank ihm wohl maßlos.« Und zur Roten Karte Breitners in Hongkong erklärte er: »Nun hat er aus diesem Grund diesen Auftritt provoziert. Breitner ging unabgemeldet einfach vom Platz, als ich mich gaudihalber in der 70. Minute für meinen Bruder Dieter einwechseln ließ. Prompt ist ihm der Schiedsrichter nachgelaufen, Breitner hat ihn wohl beschimpft, und der hat ihm dann auch gleich die Rote Karte gezeigt.«
Es war Breitners unwiderruflich letztes Spiel im Bayern-Trikot – ein unwürdiges Ende. Sein bis vor Kurzem noch bester Freund schimpfte: »Eine lächerliche Geschichte. Die Leute müssen ja von uns glauben, wir sind ein Kindergarten.«
Dabei war Breitner eigentlich nach seiner Karriere als Funktionär bei Bayern eingeplant gewesen. Präsident Willi O. Hoffmann meinte allerdings damals: »Ich hätte da ohnehin Schwierigkeiten gesehen. Denn als angestellter Mannschaftsbetreuer oder so wäre wohl die Kollision mit Hoeneß programmiert gewesen. Die 20 Spieler, die wir haben, kann der Uli schließlich selber betreuen.« Breitner verzichtete ohnehin darauf.
»Innerhalb von 30 Sekunden waren 16 Jahre Freundschaft erledigt«, sagt Breitner heute. Von diesem Moment an waren die Sturköpfe getrennte Leute. »Wir waren beide zu stolz, die Situation komplett festgefahren. Der Uli ging mir ab, umgekehrt war es genauso, aber jeder für sich war zu stur, den ersten Schritt zu machen«, so Breitner in der Rückschau.
Elf Jahre sollte es dauern, bis sie der Zufall 1994 am Münchner Flughafen wieder zusammenführte. Der eine ist gerade gelandet, der andere auf dem Weg zum Flieger. Sie hetzen zwischen den Fluggästen und Läden hin und her, bis sie an einer Ecke aufeinanderzusteuern, sich sehen, aber nicht mehr ausweichen können. Auch peinlich berührtes Wegschauen ist nicht mehr möglich. Einer schlägt vor, was der andere denkt: »Lass uns morgen mal telefonieren, dann gehen wir mit unseren Mädels zum Essen.« Gesagt, getan. So beginnt das Comeback einer Freundschaft. Die Zeit der Stille hatte sie beide gequält. »Der Uli war, ist und wird mir nie fremd sein«, sagte Breitner, »aber es tut richtig weh, darüber nachzudenken, wie viele Jahre wir verloren haben.«
Im Frühjahr 2007 holte Hoeneß Breitner dann sogar zurück an die Säbener Straße, erstmals wurde er aktiv in die Vereinsarbeit einbezogen, als Berater des Vorstands – um international wieder konkurrenzfähig zu sein, um Real Madrid auch in Zukunft ärgern zu können. Der Traum lebt weiter. Jener Traum, den sie in den 70er-Jahren begründet haben.
6. Die gute Fee
Uli Hoeneß trägt selten Anzug und Krawatte. Da muss der Anlass schon ein ganz besonderer sein. Der Uli-Hoeneß-Look ist im Grunde simpel: ein rot-weiß oder ein
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