Hier kommt Hoeneß!
die Koordination, die vom Kleinhirn gesteuert wird. Ich war nicht mehr in der Lage, selbstständig meine Zähne zu putzen. Ich konnte mich nicht mehr allein anziehen, beim Sitzen verlor ich sofort das Gleichgewicht.«
Hoeneß besuchte das Unfallopfer in Aarau mehrmals. »Lars, die einzige Chance, vielleicht wieder einigermaßen Fußball zu spielen, sehe ich, wenn du nach München kommst«, schlug ihm der Manager vor. »Damit ich schauen kann, wie du trainierst, was du machst, damit du die beste Versorgung hast für deine Genesung.« Doch es ging auch ums Geld, Lundes Vertrag in München lief im Juni 1988 aus. Hoeneß veranlasste, dass die Bayern ihn finanziell unterstützten. Denn Lunde drohte, zum Sozialfall zu werden. Die Kosten für die aufwendige Rehabilitation konnte er nicht allein tragen. Sein Aufbautraining machte er dann in einer Klinik im Münchner Stadtteil Bogenhausen, aufgepäppelt wurde er im Hause Hoeneß in Ottobrunn. »Susi war so gut zu mir, sie ist eine sehr herzliche Frau. Das war eine große Geste von Uli und seiner Familie. Ich hab mich dort wie zu Hause gefühlt«, sagt Lunde im Rückblick über die kostenlose Untermiete. »Abends saßen wir zusammen und haben wie eine richtige Familie gemeinsam gegessen.« Nach drei Wochen plagte Lunde das schlechte Gewissen, und er quartierte sich im »Hotel Excelsior« am Hauptbahnhof ein – ständig in Kontakt mit Hoeneß.
Lunde hatte im Koma zehn Kilo Muskelmasse verloren und konnte erst nach zwei Monaten wieder gegen einen Ball treten. Zunächst versuchte er es in der zweiten Mannschaft von Aarau, später beim FC Zug, doch an ein richtiges Comeback war nicht zu denken. »In meiner besten Zeit als Torjäger zählte das Dribbling zu meinen großen Stärken«, sagt Lunde, »nach dem Unfall war ich nicht einmal mehr in der Lage, einen Baum zu umdribbeln.« Viel zu jung, mit nur 26 Jahren, musste er im Herbst 1990 schließlich seine Karriere beenden. Ein Schicksal, das er mit Hoeneß teilt. »Uli ist für mich eine Person, wie ich sie selten erlebt habe. Kein Mensch hat je so viel getan für mich. Er ist immer für mich da gewesen. Auch wenn ich heute ein Problem habe, kann ich ihn anrufen und fragen, ob er etwas für mich tun kann.« Etwa Tickets für die Allianz Arena schicken – wenn Lunde am Wochenende keinen Schichtdienst hat. Der Däne arbeitet als Lagerungspfleger, eine Art OP-Gehilfe, im Kantonsspital Aarau und trainiert seit August 2006 die B-Junioren des FC Wangen bei Olten.
Erst der Mensch, dann der Erfolg. Diese Maxime hat Uli Hoeneß zu seinem Prinzip gemacht. In einem Interview mit dem »Stern« sagte er im Juli 2009: »Erst mal strebt man nach Erfolg. Wenn man viel gewonnen hat, fragt man sich, was noch zählt. Ich will nicht, dass die Leute nur diesen menschenfressenden Typen in mir sehen, der für den Erfolg alles macht. Sie sollen sagen: Der will oben stehen, aber nicht um jeden Preis.« Diese Linie will Hoeneß fortsetzen, wenn er seine neue Aufgabe als Aufsichtsratsvorsitzender und Präsident angeht. Das moralische Erbe hat er schon formuliert für seine Nachkommen als Manager: »Ich glaube, dass der Verein nicht gut beraten wäre, diese Art der Menschen- und Klubführung zu verändern. Das war ja auch der Stempel, den ich dem Verein aufgedrückt habe. Wenn es dem FC Bayern der Zukunft nicht gelingt, weiterhin den Menschen vor den Erfolg zu stellen, wird er nicht mehr das sein, was er heute ist. Dann wird er nicht mehr mein FC Bayern sein.«
Zwei andere Ereignisse haben Hoeneß in dieser Hinsicht entscheidend geprägt: ein Unfall und eine Krankheit. Beide Male ging es um Leben und Tod. Beide Male hatte es ausgerechnet zwei Mitspieler erwischt.
Hoeneß ist noch nicht einmal drei Monate im Amt, als Sepp Maier am 14. Juli 1979 mit seinem Auto schwer verunglückt. Die Bayern bestreiten ein Testspiel in Ulm. Der Torhüter schlüpft in seine Rolle, spielt den Gaudiburschen. Der Weltmeister von 1974, der mit Uli Hoeneß alle Triumphe der 70er-Jahre gemeinsam gefeiert hat, unterhält die Zuschauer. Er lässt die Torwarthose bis in die Knie herunterrutschen. Nach der Partie fährt die Mannschaft dann mit dem Bus zurück an die Säbener Straße. Dort steigt Maier in seinen Mercedes, ab nach Hause, heim nach Anzing. Doch ein heftiges Gewitter erschwert die Fahrt. Auf einer überschwemmten Umgehungsstraße ist Maier zu schnell unterwegs, sein Wagen gerät ins Schleudern und kracht in ein entgegenkommendes Fahrzeug. Die Schuld trägt er. Mit
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