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Hier kommt Hoeneß!

Hier kommt Hoeneß!

Titel: Hier kommt Hoeneß! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pattrick Strasser
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– als Geste. Nur ein Beispiel von vielen. Vereinen, die dringend Geld zum Überleben brauchten, stellte sich der FC Bayern als günstiger Testspielgegner zur Verfügung, um das Stadion zu füllen. In vielen Fällen gastierte man sogar gratis auf Anweisung des Managers. Mancherorts hieß es: Da kommt Hoeneß, der Retter. Im Juli 2003 bekam er es schriftlich, weiß auf braun. »Retter« stand auf einem T-Shirt, mit dem er im Stadion am Millerntor des FCSt. Pauli eine umjubelte Ehrenrunde drehte – und das als ehemaliger Klassenfeind der Hardcore-Fans der Hamburger. 200 000 Euro hatte ein Benefizspiel der Bayern beim damaligen Zweitliga-Aufsteiger, eingefädelt von St.-Pauli-Präsident Corny Littmann, eingebracht. Der Regionalligist hatte nur dank solcher Aktionen, anderer Spenden und der Hilfe der Stadt Hamburg einen Fehlbetrag von zwei Millionen Euro ausgleichen können, um die Lizenz für die Dritte Liga zu erhalten. Hoeneß wurde so zum Reeperbahn-Helden.
    Wichtiger als ein Verein aber war Hoeneß immer der Mensch. Einzig an Sebastian Deisler war er nie richtig herangekommen. Der vielleicht talentierteste deutsche Mittelfeldspieler seit Günter Netzer beendete 2007 seine Karriere beim FC Bayern nach viereinhalb Jahren infolge von Depressionen und unfassbarem Verletzungspech – mit erst 27 und trotz eines noch laufenden Vertrages, der ihm weitere Millionen an Gehalt beschert hätte. Hoeneß konnte Deislers Rücktritt und Rückzug aus dem Fußballgeschäft, dessen Eigenheiten ihm fremd waren und das er schließlich gehasst hatte, nicht verhindern.
    Zu Mehmet Scholl hatte der Manager dagegen einen ganz speziellen Draht, seit er ihn 1992 vom Karlsruher SC verpflichtet hatte. Franz Beckenbauer nannte den Dribbelkünstler mit den hervorstechenden Vorderzähnen »den letzten Straßenfußballer Deutschlands«. Dennoch waren die sechs Millionen Mark Ablöse für ein so junges Talent eine Risikoinvestition. Scholl verkörperte Fantasie und Ehrgeiz – für Hoeneß die ideale Mischung: »Das ist so einer, wie wir damals waren, der Paul Breitner und ich. Der will nach oben, um jeden Preis.« Scholl verzückte mit seinem Spiel, das diese lässige, manchmal zirkushafte Leichtigkeit besaß, vor allem die weiblichen Fans, die jungen Mädels. Es entstand ein riesiger Hype um Scholl, der Teenie-Star gewann dreimal die Auszeichnung »Gold Otto« der Zeitschrift »Bravo Sport«– »wie bei Take That« gehe es zu, sagte Hoeneß damals amüsiert. Was die Medien erst später in England aus David Beckham machen würden, war Scholl damals schon in München: ein kickender Popstar. Ohne ein Spice Girl freilich. Denn seine Frau war bodenständig.
    Die Trennung kam ausgerechnet nach der besten Saison seiner Karriere. Sie hatte ihn verlassen.
    Mit Bayern hatte Scholl 1996 den Uefa-Cup gewonnen, vier Wochen später mit der Nationalelf die EM in England. Drei Tage später kam sein Sohn Lucas auf die Welt. »Doch danach war alles am Arsch und nichts mehr, wie es vorher war: Dann kam mein privates Horrorjahr, das mit der Scheidung endete«, erzählte Scholl 2007, als er seine Karriere beendete. In jener Zeit verlor Scholl den Boden unter den Füßen. Als die Bayern-Profis einen zünftigen Skiausflug mit dem Auftrag Teambuilding nach Zürs am Arlberg machten, musste ein Discogast als Ventil für seinen Frust herhalten. Es gab Ärger, und Scholl legte sich mit dem Fremden an. Als die Sache an die Öffentlichkeit gelangte, war Scholls Image zerstört. Und er war auch dabei, seine Karriere zu zerstören. Bis Uli Hoeneß anrief. Bei diesem Gespräch redete nur einer: »Wenn du so weitermachst, verlierst du auch noch deinen letzten Freund beim FC Bayern! Haben wir uns verstanden?« Hoeneß bot ihm sogar an, vorübergehend bei ihm zu Hause in Ottobrunn einzuziehen. Doch Scholl verzichtete, hatte die Botschaft aber verstanden. Und er bekam sein Leben wieder in den Griff.
    Als er im August 2007 bei seinem Abschiedsspiel in der Allianz Arena schließlich ausgewechselt wird, drückt ihn der Manager ganz fest an seine Brust. Hoeneß hat Tränen in den Augen. Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Im Spaß sagt Scholl einmal: »Mein Manager lässt sich das ja ab und zu nicht nehmen, mich abzuwatschen. Uli steht irgendwie schlecht auf, die Karin Potthoff, seine Sekretärin, sagt morgens nicht ›Grüßgott‹ – und ich krieg’s dann ab.« Scholl lacht. Hoeneß weiß, wie es gemeint ist. Scholl sagt: »Es ist wohl so eine Vater-Sohn-Sache.«
    Katsche Schwarzenbeck

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