Hier kommt Hoeneß!
es nur diese eine vergebene Chance gab, auf internationaler Ebene einen Erfolg zu erzielen.« Der Ungar attackierte Breitner und Rummenigge, sie hätten weit unter ihrer Form gespielt. Breitner reagierte beleidigt und verständnislos, erwiderte barsch: »Soll ich mich jetzt erschießen?« Er entschied, sich stattdessen besser abzuschießen. Und genehmigte sich ein paar Drinks.
Im Ballsaal des Mannschaftshotels »Promenade« in Den Haag sollte eigentlich die große Siegerparty steigen, tatsächlich wähnten sich die Anwesenden nun eher auf einem Leichenschmaus. Doch wenigstens das Büfett war ein Genuss für die 100 Leute umfassende Fußball-Schickeria. Nicht allerdings für Csernai.
Auch an diesem Abend trägt der Trainer eines seiner feinen Seidentücher um den Hals, sein Markenzeichen. Stumm und mit starrem Blick sitzt er vor seinem Teller, nicht einmal die tröstenden Sprüche des Präsidenten können ihn aufheitern. »Wir müssen die anderen auch mal gewinnen lassen, damit man uns wieder mag«, witzelt Hoffmann und bestellt unermüdlich Champagner, bis das Hotelpersonal die weiße Fahne hissen muss. Für die Zecher in der Mannschaft kein Problem, es sind ja noch andere Alkoholika im Lager.
Augenthaler und Dürnberger trinken selbst zu vorgerückter Stunde nur Wasser. Fast vier Stunden sitzen sie in einem für die Dopingprobe umgebauten Wohnwagen direkt am Stadion De Kuip fest und können nicht. »Als wir dann endlich im Hotel ankamen, war alles schon fast vorbei, gerade herrschte allgemeiner Aufbruch. Eine sehr steife Veranstaltung«, erinnert sich Augenthaler, »jeder hat sich dann auf sein Zimmer verdrückt.« Nicht jeder. Als die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster in den Bankettsaal scheinen, sitzt Trainer Csernai immer noch am Tisch, ganz allein. Einem Reporter sagt er: »Gut, dass wir wenigstens den DFB-Pokal gewonnen haben, sonst hätte man mich schon entlassen.« Den Blues sollte er auch in den nächsten Tag hineintragen. Nach der Landung in München werden die Bayern in einem mit Girlanden geschmückten Bus zum Rathaus kutschiert. Am Tag zuvor war schließlich alles für eine Siegesfeier vorbereitet worden in Amtszimmer 103: Nelkensträuße in den Vereinsfarben Rot und Weiß, zwölf kalt gestellte Flaschen Champagner. Trotz der unverhofften Pleite wird der Empfang bei Münchens Oberbürgermeister Erich Kiesl nicht abgesagt, es war ja schließlich gut eingekauft worden für das geplante Festmahl: Rathausangestellte und Vereinsfunktionäre verspeisen die ausgelöste Entenbrust an frischen Pfifferlingen und Karottenrösti mit Räucherlachs samt – schon wieder Alkohol – Frankenwein. Vermisst wird nur der Trainer. Csernai hatte sich irgendwann auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt aus dem Staub gemacht, ist nun unauffindbar. Als Mannschaftskapitän schreitet Breitner zum Rednerpult und lässt Dampf ab: »Es fehlt einer, der zeigt, dass er nicht zu unserer Mannschaft steht. Seit dreieinhalb Jahren haben Trainer und Mannschaft zusammen gesiegt. Und wenn verloren wird, verliert auch der Trainer Csernai mit. Ein bisserl mehr Anstand und Größe der einladenden Stadt München gegenüber hätte er schon zeigen müssen.« Eine peinliche Affäre. Es war Sache von Jungmanager Hoeneß, zu moderieren und zu schlichten. Einen Tag später ließ er daher verlauten: »Der Trainer hat sich nach der bitteren Enttäuschung nicht in der Lage gesehen, mit zum Empfang zu gehen. Er betont jedoch, dass er damit weder Mannschaft, Verein noch Oberbürgermeister Erich Kiesl brüskieren wollte. Sicherlich wäre es besser gewesen, wenn er wenigstens Bescheid gesagt hätte.«
Für die Bayern war das Verlieren eine neue Erfahrung, es war die erste Endspielniederlage der Vereinshistorie überhaupt, DFB-Pokal inklusive. Sie konnten es einfach noch nicht – und Hoeneß war als Niederlagenazubi mittendrin.
Im Jahr darauf bemühte man sich, finanzielle Erfolge in den Vordergrund zu rücken. Schatzmeister Fritz Scherer sprach nach der Hinrunde davon, dass man auf »die erfolgreichste Vorrunde seit Vereinsbestehen« zurückblicken könne. So war es dann auch möglich, die Schuldenlast auf 1,5 Millionen Mark zu reduzieren. Dass die Finanzen und die Geldgeber eine immer wichtigere Rolle spielten in dieser Zeit, wurde am Ende der Saison 1982/83 offensichtlich. Weil Hauptsponsor Iveco in Pal Csernai einen »schlechten Werbeträger« sah, der Coach als zu arrogant und spröde galt, trennte man sich zwei Spieltage vor Saisonende.
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