Hier kommt Hoeneß!
Villa, so redete man sich ein, sei den Bayern nicht gewachsen. Die Dominanz der englischen Teams im Europapokal der vorangegangenen Jahre war eher mit Teams wie dem FC Liverpool oder Nottingham Forest verbunden. Aber wer war bitte schön Aston Villa?
Doch die Bayern standen sich damals selbst im Weg.
Als die Mannschaft samt Betreuern, Frauen, VIPs und Journalisten einen Tag vor dem Spiel per Charter nach Rotterdam fliegt, gibt es Zoff über den Wolken. Manager Uli Hoeneß baut sich vor Paul Breitner auf und schreit: »Sind wir denn jetzt schon so weit, dass du die Spieler bei uns verpflichtest? Dass du Jean-Marie Pfaff und Bernd Martin bereits als feste Neueinkäufe in aller Öffentlichkeit preisgegeben hast, war absoluter Schwachsinn. Denn wir sind mit den Leuten erst am Verhandeln.« Breitner rückt seine Sonnenbrille zurecht, zupft sich am Vollbart und grummelt, nicht von seiner Buchlektüre aufschauend, zurück: »Ach, lass mich doch zufrieden. Monatelang redet ihr davon, nun soll es auf einmal als Staatsgeheimnis behandelt werden.« Ein kurzer Zoff unter Freunden, der die ganze Anspannung vor dem Endspiel gegen Aston Villa widerspiegelt. Vor allem bei Breitner. Ständig hatte er in der zu Ende gehenden Saison mit Verletzungen zu kämpfen gehabt, auch für das Finale war er nicht wirklich fit. Doch er wollte unbedingt noch einmal diesen Henkelpott gewinnen. »Ich spiele«, sagte der Kapitän damals, »und wenn ich am Stock einlaufe.« Doch eigentlich hatte er bereits abgeschlossen mit der Karriere, er bezeichnete seine Vertragsverlängerung um eine weitere Saison bis 1983 als Fehler: »Ich hätte es lieber lassen sollen und besser abgewartet. Die Frage ist, ob ich nicht vom Fußball in dieser Form die Nase voll habe. Ob da nicht nur mein Körper, sondern auch der Kopf noch mitmacht.« Alles keine günstigen Voraussetzungen für ein Finale. Zu all dem Zoff und den Blessuren kamen noch die Frotzeleien. Weil sich Breitner am Montag nach dem Finale den Vollbart, sein Statussymbol, für eine PR-Aktion einer Rasierwasserfirma stutzen lassen würde, spottete Teamkollege Rummenigge, als er in einem Magazin eine großflächige Zeitungsannonce sah, in der Breitner für deren Produkte warb: »Paul, jetzt schütten wir uns alle das Zeug drüber, dann rennen die Engländer sowieso davon.«
Und die Engländer sollten rennen. Zunächst meist einen Schritt hinter den Bayern her. Hoch überlegen agierten die Münchner an jenem 26. Mai 1982, spielten sich Chance um Chance heraus gegen das Team aus Birmingham, von einer »wahren Kanonade« schrieb die »Süddeutsche Zeitung« am Tag nach dem Finale. Karl-Heinz Rummenigge, Dieter Hoeneß, sogar Defensivakteure wie Udo Horsmann und Bernd Dürnberger versuchten sich, scheiterten aber an Reservekeeper Nigel Spink, der nach zehn Minuten für den am Nacken verletzten Stammtorhüter Jimmy Rimmer eingewechselt worden war. All die vergebenen Chancen sollten sich rächen: In der 67. Minute passt Villas Gary Shaw einen Ball von links scharf in den Strafraum, Hans Weiner und Klaus Augenthaler, der noch am nächsten steht, werden Augenzeugen, wie Peter White zum 0 : 1 an Torwart Manfred Müller vorbei einschiebt. Von diesem Schock erholen sich die Bayern nicht mehr, die Angriffe enthalten mehr und mehr Verzweiflung und Hilflosigkeit.
Genau das drückte sich wenig später auch in den ersten Spielerkommentaren zum Spiel aus. »So einfach war es noch nie, Europacup-Sieger zu werden«, meinte Verteidiger Horsmann, der noch für den Titelgewinn 1976 mitverantwortlich war. Wolfgang Kraus jammerte: »So grausam kann Fußball sein.« Und Klaus Augenthaler schüttelt es noch heute beim Gedanken an den Spielverlauf der Partie in Rotterdam: »Wir waren eindeutig überlegen, die bessere Mannschaft. Wir hatten fünf, sechs todsichere Chancen – die Engländer nur eine einzige. Die haben sie gemacht, und das war’s dann.« Diesmal halfen Schicksal und Glück den Bayern nicht wie Mitte der 70er-Jahre und beim Triumph im Europapokal der Pokalsieger 1967. Im fünften Anlauf verloren die Bayern erstmals ein internationales Endspiel. »Heute lag der Schutzengel bei den Engländern«, stellte Präsident Hoffmann fest und schimpfte: »Was die für Dusel hatten, geht auf keine Kuhhaut.«
Was danach folgte, war die Fortsetzung des Vorspiels: Gemotze und gegenseitige Schuldzuweisungen. Trainer Csernai war persönlich gekränkt, dass ihn seine Mannschaft so im Stich gelassen hatte: »Ich bin hart getroffen, weil
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