Hier kommt Hoeneß!
würde ihm seine Karriere nicht gönnen, ihn nicht zu groß werden lassen wollen beim FC Bayern und in der Nationalelf. Er fand einen Verbündeten in Udo Lattek.« Den habe das Gefühl geplagt, »seine Bilanz würde nicht genügend gewürdigt. Hoeneß, Breitner und Lattek bildeten eine verschwörerische Allianz. Eine spöttische Bemerkung beim Essen, eine kleine Bösartigkeit beim Training, die Luft hatte plötzlich einen giftigen Geruch.« Und dann erst dieser Robert Schwan – für Cramer ein Tyrann und Diktator, der nur im Sinn hatte, sich und Beckenbauer die Taschen zu füllen. Cramer erzählte: »Ich hörte den Spott bei Lattek heraus, ich sah die Blicke, die er mit Uli Hoeneß und Paul Breitner wechselte. Ich wusste sofort: Jetzt gibt es Ärger. Ich fühlte mich wie in einem Rudel von Wölfen. Ich stellte mir vor, dass es dort so sein müsste.«
Die Probleme zwischen Beckenbauer und Hoeneß rühren also aus der aktiven Zeit. Die EM 1976 bestritt man noch gemeinsam, dann trennten sich die Wege. Beckenbauer ging in die weite Welt hinaus, wechselte 1977 nach New York zu Cosmos und machte das letzte seiner 103 Länderspiele, während Hoeneß sesshaft wurde. Er blieb als Manager an der Säbener Straße. Als Karl-Heinz Rummenigge, der Jüngste des Trios, mit der WM 1978 in Argentinien sein erstes Turnier spielte, hatte Hoeneß seine Nationalelfkarriere bereits beendet, US-Legionär Beckenbauer galt im DFB als Ausgestoßener, er wurde nicht mehr nominiert. Eine Zeit lang verlor man sich aus den Augen. Erst als Beckenbauer nach der EM 1984 Teamchef der Nationalelf wurde, hatte er es wieder mit dem Bayern-Manager zu tun und musste sich darüber hinaus die teils kritischen Kommentare von Rummenigge gefallen lassen, der zum Zeitvertreib Fernsehexperte bei der ARD geworden war. In dieser Funktion bejubelte er auch den WM-Triumph von Kaiser Franz 1990 in Italien.
Etwas mehr als ein Jahr später sollte das Triumvirat wieder vereint sein – an alter Wirkungsstätte. In einer Notsituation fanden die ehemaligen Kameraden doch wieder zusammen. Rummenigge und Beckenbauer wurden 1991 als Vizepräsidenten installiert – auf Initiative von Präsident Fritz Scherer, der die Reichweite seiner Entscheidung damals nicht absehen konnte. Die Vorgeschichte ist die Geschichte des größten sportlichen Niedergangs seit dem Bundesliga-Aufstieg des FC Bayern 1965.
Vor Beginn der Saison 1991/92 hatte Uli Hoeneß schon so eine Vorahnung: »Wir starten nicht mit dem Ziel, unbedingt Meister zu werden. Das wäre nach dieser Zäsur vermessen. Niemand weiß, wie der Umbruch klappen wird.« Er sprach gar vom Saisonziel »Nichtabstieg«. Denn in den Jahren zuvor hatten die Verkäufe von Stars wie Karl-Heinz Rummenigge, Lothar Matthäus, Andreas Brehme, Jürgen Kohler und Stefan Reuter, die alle in die italienische Serie A gewechselt waren, zwar rund 60 Millionen Mark in die Kasse gebracht, die Mannschaft aber sportlich geschwächt. Das Bankkonto war voll, die Ersatzbank aber voller mittelmäßiger Profis. Für diese Politik gerieten Präsident Fritz Scherer und Uli Hoeneß heftig unter Beschuss. »Die ganzen Millionen auf der Bank nützen dir nichts, wenn du keine Punkte hast«, meckerte Beckenbauer, »man muss auch mal auf eine Ablösesumme verzichten, wenn man international im Geschäft bleiben will.«
Nach Niederlagen gegen Rostock, Bochum und Hamburg schlingerte der Verein schließlich unter Trainer Jupp Heynckes in die schlimmste Krise seiner Bundesliga-Geschichte. Zwei verheerend schwache Heimspiele waren die Krönung: ein 2 : 4 nach Verlängerung im DFB-Pokal gegen den Zweitligisten FC Homburg und ein 1 : 4 gegen die Stuttgarter Kickers. Danach war der FC Bayern nur noch Tabellenzwölfter, mit lächerlichen zwölf Punkten aus zwölf Spielen. Die Sache hatte sich Hoeneß selbst eingebrockt.
Hoeneß geht seinen schwersten Weg. Dazu bleibt er daheim und bestellt Trainer Heynckes am 7. Oktober 1991 für 16 Uhr in sein Haus nach Ottobrunn. Er serviert Apfelsaft, dann schenkt er seinem Freund zwei Stunden lang reinen Wein ein. Es fließen Tränen, als er ihn entlässt – schweren Herzens und ohne einen Nachfolger zu haben. Franz Beckenbauer ist dagegen, Heynckes zu beurlauben, doch Hoeneß setzt sich durch. Um 23.45 Uhr verpflichtet er Exspieler Sören Lerby telefonisch. Eine mutige, wahrlich abenteuerliche Idee.
Obwohl er es gegen seine innere Stimme machte, tat Hoeneß, was er glaubte, tun zu müssen. Gegen sein Bauchgefühl, aufgrund des
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