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Hier kommt Hoeneß!

Hier kommt Hoeneß!

Titel: Hier kommt Hoeneß! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pattrick Strasser
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Rundumschlag ganz und gar nicht gefallen. Deshalb ging er zum Gegenangriff über, in dem er seine Philosophie von Zuckerbrot und Peitsche erklärte. »Heikle Dinge bespreche ich mit Spielern nur unter vier Augen, sonst wird der Trainer geschwächt. Ich werde mich nach außen bedeckt halten und nach innen Gespräche führen. Unruhe bringen ja die Medien rein. Da muss man nicht auch in dieses Horn blasen. Wenn wir 3 : 0 gewinnen, kann man sich äußern. Wenn wir 0 : 3 verlieren, muss man Ruhe geben.« Antizyklisch eben, das war schon immer Hoeneß’ Maxime. So ist er stets verfahren in den 30 Jahren seiner Managerzeit. Gewann die Mannschaft ein Spiel und sah Hoeneß, dass sich Spieler am Kabinenausgang in den ersten Gesprächen mit Reportern brüsteten und in ihrer Leistung sonnten, schritt er ein. Oft genug holte er nach einem Sieg die Mannschaft mit harscher Kritik wieder auf den Boden zurück, bei Niederlagen allerdings zeigte er ganz bewusst Sanftmut und Milde. Den Hintersinn dieser Überlegungen verriet er in den Tagen nach Lyon der »Süddeutschen Zeitung«: »Wir brauchen diese Spieler noch drei Monate. Es bringt nichts, sie jetzt niederzumachen. Später muss man ihnen dann wieder die Füße küssen, damit sie Leistung bringen.«
    Hoeneß spürte, wie sehr es in der Mannschaft brodelte. Er wusste, dass sich die Wut in Energie würde umwandeln können, also machte er auch keine Anstalten, die Anführer der Mannschaft zu bändigen, als sie sich öffentlich gegen den Kaiser auflehnten. »Kritik sollte über der Gürtellinie sein, nicht darunter. Wenn man so in eine Ecke reingetrieben wird, werde ich persönlich unangenehm«, drohte Kapitän Stefan Effenberg. Und Torwart Oliver Kahn unterstrich mit einer schriftlichen Stellungnahme auf seiner Homepage, wie wichtig ihm die Beschwerde war: »In völlig überzogener Art und Weise wurde hier unsere Mannschaft öffentlich geradezu lächerlich gemacht.« Beckenbauer war angezählt. Seine Aussagen zog er aber nicht zurück. Es habe sich nach solch einem blamablen Spiel jeder nach klaren Worten gesehnt: »In 14 Tagen wäre ein Donnerwetter zu spät gekommen«, sagte Beckenbauer.
    Hoeneß zwang ihn zu einer Aussprache vor dem nächsten öffentlichen Auftritt aller am Samstag beim Heimspiel im Olympiastadion gegen Energie Cottbus. Es sei »nicht üblich, dass der Chef seine Angestellten vor versammelter Presse und den Sponsoren kritisiert«, gab Hoeneß den Wortlaut der Unterredung wieder, mit dem Hinweis: »In Zukunft wird er das sicherlich anders machen.« So klingt ein Vater, dessen Sohn eine Schaufensterscheibe eingeschossen hat.
    Franz war in diesen Tagen der böse Bube des Vereins. Doch wie ist dieser Wutausbruch zu erklären? Gerade bei einem Mann, der das bajuwarisch-lockere »Schau mer mal« und den Werbespruch »Ja, ist denn heut’ scho’ Weihnachten?« geprägt hat. Ausgerechnet bei diesem Weltstar und Medienprofi, der seine innere Freiheit in den sanften Weisheiten von Konfuzius und Laotse sucht, der sich mit dem Thema Wiedergeburt – dann wunschgemäß übrigens als Frau – auseinandersetzt. Warum wurde er schonungslos ehrlich und so aggressiv? »In ihm sind 1000 streitende Teufel«, hat sein früherer Manager Robert Schwan einmal erkannt. Was nichts anderes heißt, als dass es Beckenbauers Lebensleistung ist, 998 davon gebändigt zu haben. Und die restlichen zwei? Einer der Teufel tobt sich noch bei seinem liebsten Hobby, beim Golfen, aus. Da kann Beckenbauer trotz zuvor bester Laune fuchsteufelswild werden, wie Sepp Maier zu berichten weiß, und sich selbst so zur Verzweiflung bringen, dass »die Schläger sonst wohin fliegen, manchmal in den Baumkronen landen«. Bliebe der letzte der 1000 Teufel. Und der ist wohl der schlimmste aller Franz-Dämonen, nicht zu besiegen, nicht auszulöschen. Der Fußballteufel: gnadenlos, teils bösartig und erfüllt von Zorn. So war Beckenbauer schon als Spieler. Wenn die Mannschaftskollegen, diese Laufburschen, auf seine geniale Spielweise nicht entsprechend reagiert hatten und seine Pässe im Nichts landeten, konnte er so herrlich abwinken und mit dem Kopf schütteln – alles Dilettanten. Er wusste, dass nur ihm die Perfektion zu eigen war, doch er verlangte absolute Hingabe im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. Ob als Spieler, Trainer oder später Funktionär. Als er die deutsche Nationalmannschaft bei der WM 1990 in Italien betreute und man durch ein 1 : 0 gegen die Tschechoslowakei das Halbfinale erreicht hatte, tobte

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