Hier kommt Hoeneß!
sportlichen Turbulenzen hatte Präsident Fritz Scherer, ein Betriebswirtschaftsprofessor, versucht, seine eigene Haut, sprich seinen Posten, zu retten. In einem Alleingang leitete er Ende Oktober die Rückkehr von Rummenigge und Beckenbauer ein. Der kurze Wahlkampf um die Gunst der Mitgliederstimmen für die am 25. November 1991 stattfindende Präsidiumswahl wurde für Hoeneß zur Hölle. Die ehemaligen Mitspieler gingen sofort zur Attacke über, nicht direkt, aber deutlich zwischen den Zeilen, wenn sie Hoeneß’ Arbeit bewerteten. »Er war allein, es sagte ihm keiner, was er verkehrt machte. Auch ein Hoeneß macht Fehler«, stellte Beckenbauer fest. Und Rummenigge kündigte eine Umkehr der Spar- und Verkaufspolitik ein, wollte plötzlich im großen Stile investieren. Da wollte Hoeneß gerne mitmachen, kein Thema. Nur der drohende Machtverlust und die bevorstehende Rückkehr des Kaisers in sein Reich in der Säbener Straße machten ihm zu schaffen. Würde Beckenbauer ihn wie bei der WM 1974 wieder rausdrängen? Würde es wie beim FC Bayern in der Mitte der 70er-Jahre wieder zwei Fronten geben? Würde Rummenigge gar Paul Breitner mitbringen, mit dem Hoeneß seit 1983 völlig zerstritten war?
Es gibt nur zwei Momente, in denen Hoeneß ernsthaft daran dachte, den Managerposten aufzugeben: in jenem Herbst 1991 und im Laufe der Kokainaffäre um Christoph Daum. Kurz vor den Wahlen sagte Hoeneß über Beckenbauer und Rummenigge: »Ich muss erst ausloten, was die wollen. Wenn sie es ehrlich meinen – okay. Wenn nicht, werde ich aufhören.«
Wie erwartet, wurden die Heilsbringer aus der glorreichen Vergangenheit mit dem Auftrag Zukunftssicherung ins Präsidium gewählt und Scherer für die Idee gefeiert. Er durfte Präsident bleiben. Hoeneß machte zähneknirschend weiter, musste künftig nach Spielen Beckenbauer-Statements wie »Des is wia Obergiasing gega Untergiasing« vor den Medien relativieren und den Moderator geben. Das Problem: Nun äußerte sich nicht nur ein Exspieler und Hobbygolfer, sondern ein offizieller Vereinsfunktionär. Eine der ersten Amtshandlungen von Beckenbauer, der als Mutmacher für den sonst eher zögerlichen Schatzmeister Hegerich diente, war es, Investitionen voranzutreiben. Nicht einmal ein Jahr war der Kaiser im Amt, da wurden im Sommer 1992 schon satte 23,5 Millionen DM in neue Spieler gesteckt, damals absoluter Bundesligarekord. Die spektakulärste Verpflichtung hieß Lothar Matthäus, Beckenbauers Kapitän der WM-Helden von 1990. Er war es, der Matthäus überzeugen konnte, zum FC Bayern zurückzukehren.
Die Entscheidungsträger Beckenbauer und Rummenigge Seite an Seite als Vizepräsidenten, Scherer als repräsentierender Vereinsboss, dazu Manager Hoeneß. Das spielte sich über die Jahre ein. Besonders Rummenigge und Hoeneß fanden zueinander, bauten ein nicht nur rein geschäftliches Miteinander auf. »Mit Kalle verbindet mich eine tiefe Einigkeit über viele Dinge des Lebens. Zwar hat er einen ganz anderen Freundeskreis als ich, aber wenn es darauf ankommt, stehen wir Seite an Seite. Da passt kein Blatt zwischen uns«, erläuterte Hoeneß in einem Interview mit der »Bunten«: »Bei uns beiden weiß jeder vom anderen alles. Mehr vielleicht als die Ehefrauen.« So?
Anders das Verhältnis von Rummenigge und Beckenbauer, sie entfremdeten sich doch mehr und mehr in ihren Rollen. Vor allem als Rummenigge beschloss, bei der nächsten Mitgliederversammlung 1994 als Präsident zu kandidieren. Es drohte ein Machtkampf, da Scherer sich auch zur Wiederwahl stellen wollte. Seit 1979 war der Augsburger im Verein, erst für sechs Jahre als Schatzmeister, seit 1985 als Präsident. Widerstandslos wollte er sich als Mann der Wirtschaft gegen den Exfußballer Rummenigge nicht geschlagen geben. Eine Situation, die dem Verein auf jeden Fall Verlierer beschert hätte– so oder so. Denn der unterlegene Kandidat und einige seines Teams hätten dem FC Bayern wohl den Rücken gekehrt. Also schaltete sich der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, zugleich Vorsitzender des Verwaltungsbeirates, ein. Ihm gelang es, alle Beteiligten zu überreden, auf eine Kampfabstimmung zu verzichten und stattdessen Franz Beckenbauer als einzigen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Hoeneß verhielt sich neutral, nicht gerade überschwänglich, er sagte: »Ich bin für den FC Bayern.« Er wusste, dass es für den Moment die beste Lösung war, ihm war aber auch klar, dass er – sollte er mittelfristig auf den Posten des
Weitere Kostenlose Bücher