Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)

Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)

Titel: Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Nelle
Vom Netzwerk:
ganz durcheinander.
    Unwillkürlich schaue ich ebenfalls an mir runter.
    Oh, mein Gott!
    Niklas Vater hat recht – zumindest kann ich verstehen, wie er darauf kommt, ich legte keinerlei Wert auf die Betonung meiner Weiblichkeit. Hätte ich nur nicht auf Emma gehört! Hätte ich nur die tolle rote Bluse angezogen. Nie wäre Herr Nienaber auf diese absurde Idee gekommen.
    Sein Benehmen ist natürlich trotzdem ungeheuerlich. Und kaum hinzunehmen.
    Niklas’ Vater dreht sich um und stellt den Ton des Fernsehers wieder lauter.
    Ich atme erst mal tief durch.
    Während ich mich rasch zu Niklas zurückbegebe, spüre ich, wie mir bei jedem Schritt die Beine zittern.
    Als Niklas mich mit bedauernder Miene in Empfang nimmt und sogleich seinen Arm stützend unter meinen schiebt, möchte ich ihn am liebsten bitten, dass wir gehen. Außerdem spüre ich leichte Verärgerung in mir aufkommen. Hätte Niklas mich nicht vorwarnen können? Und hätte er mir nicht ein wenig beherzter zur Seite stehen müssen?
    »Tut mir leid«, sagt Niklas so leise zu mir, dass sein Vater es garantiert nicht hören kann.
    Das ist alles?
    »Das … das eben, dein Vater«, flüstere ich, um Niklas klarzumachen, dass ich mehr von ihm erwarte. »Er hat sich einfach furchtbar benommen.«
    Niklas sieht mich bekümmert an. Als sei ich zu empfindlich. Und ungerecht.
    »Dein Vater ist gemein !«, sage ich, ohne weiter meine Stimme zu dämpfen.
    Niklas zieht mich in den Flur.
    »Er ist nicht gemein, Iris«, sagt er ernsthaft.
    Nicht gemein?
    Ich öffne meinen Mund, um zu erklären, dass sein Vater mir die gemeinste Begrüßung hat zuteilwerden lassen, die ich je erlebt habe. Ohne dass ich ihm auch nur das Geringste getan hätte.
    »Hör mir bitte zu, Iris.«
    Niklas nimmt mich bei den Schultern.
    »Okay«, sage ich unwillig.
    »Mein Vater ist völlig verzweifelt. Seit der Diagnose meiner Mutter ist er am Boden zerstört. Er hat schreckliche Angst um sie …«
    Niklas blickt mir eindringlich in die Augen.
    Mein Gott! Natürlich.
    Nicht einen Gedanken habe ich mir gemacht, wie es wohl für ihn sein muss, dass seine Frau todkrank ist!
    Der Arme.
    Wie konnte ich nur so vorschnell über ihn urteilen! Wo ich mich doch genau erinnere, wie gemein ich damals aus heiterem Himmel sein konnte, weil ich nicht ertragen konnte, dass meine Mutter stirbt und mich alleine lässt. Sogar manchmal zu ihr.
    Natürlich hat Niklas’ Vater das Recht, ab und an verbittert zu sein.
    Und gemein.
    Ich nicke beschämt.
    »Er meint es nicht so«, sage ich leise. »Ich verstehe. Tut mir leid, dass ich mir das nicht selbst gedacht habe.«
    Niklas strahlt mich an.
    Ich muss lächeln. Offenbar ist es ihm sehr wichtig, dass ich nicht mehr böse auf seinen Vater bin.
    »Du bist unglaublich, Iris«, sagt er voller Wärme.
    Ich schlucke gerührt.
    Wie wohl mir seine Worte tun, ist fast schon peinlich. Ich kann gar nicht fassen, dass jemand mich derartig zu schätzen weiß.
    Du bist unglaublich, Niklas, denke ich dankbar.
    Meine Knie haben aufgehört zu zittern, und ich habe plötzlich das Gefühl, mit allen Herausforderungen umgehen zu können, die die Familie Nienaber für mich in petto haben sollte.
    Weil ich weiß, dass diese Familie schwer zu tragen hat.
    »Komm«, sagt Niklas. Ich folge ihm angenehm beschwingt von meinem Großmut.
    Niklas bleibt an der Schwelle der Tür stehen, die offenbar in die Küche führt, und lässt mir den Vortritt.
    Am Küchentisch sitzen zwei mollige Frauen in bunten Kitteln und schälen Kartoffeln und Rosenkohl. Ein Teller mit Frikadellen-Rohlingen steht neben dem bereits geputzten Gemüse.
    »Hallo!«, rufe ich freundlich, als sie aufblicken.
    »Hallo!«, höre ich Niklas’ Stimme hinter mir.
    Ausgesprochen gesund sehen die beiden aus. Ja, auch Niklas’ Mutter. Ganz anders als meine damals.
    »Hallo!«, ruft Niklas’ Schwester zurück.
    »Hallo, mein Junge! Herzlich willkommen, Iris!«, seine Mutter.
    Gott sei Dank. Diese Familienmitglieder sind trotz Schicksalsschlag in der Lage, freundlich zu sein. Und sie kennen sogar meinen Namen.
    Lächelnd begebe ich mich zum Küchentisch.
    Fast synchron wischen sich Mutter und Tochter ihre Hände an ihren jeweiligen Kittelschürzen ab und strecken sie mir entgegen. Die Hand der Mutter ergreife ich zuerst. Ihre runden hellblauen Augen scheinen mir von Wohlwollen erfüllt. Ihre kleine mollige Hand ist trotz Abwischen immer noch ein wenig feucht von den Kartoffeln.
    »Nenn mich Isolde, mein Kind. Niklas hat mir schon von dir

Weitere Kostenlose Bücher