Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
hat.
»Manipuliert?« Ich haste kopfschüttelnd Richtung Wohnungstür. »Also wirklich, Emma. Du übertreibst vollkommen!«
Vor Emmas riesigem Flurspiegel fahre ich mir ohne irgendetwas in Richtung Verschönerung zu bewirken durch die Haare. Wozu habe ich mir extra Shine-Booster-Finish zugelegt, wenn ich keine Zeit habe, meine Frisur zum Glänzen zu bringen? Wozu neues Rouge, wenn ich überhaupt nicht zum Schminken komme?
Emma hat recht, ich sehe total selbstlos aus. Und als wolle ich Niklas’ amouröse Avancen im Keim ersticken.
An der Wohnungstür angekommen, drücke ich schleunigst den Knopf der Gegensprechanlage.
»Hallo?«, frage ich atemlos.
Ich höre das dezente Rauschen der Anlage. Sonst nichts.
»Hallo?«, frage ich noch mal. »Wer ist da?«
Keine Antwort.
Ein paar Augenblicke warte ich angespannt.
»Hallo?«
Niklas meldet sich nicht.
Habe ich ihn etwa zu lange warten lassen? Seit seinem Klingeln kann doch höchstens eine Minute vergangen sein.
Emma tritt neugierig aus dem Gästezimmer. Sie hebt fragend die Augenbrauen. »Entwarnung?«
Am liebsten würde ich noch einmal »Hallo?« in die Anlage rufen. Oder rasch nach unten laufen. Vielleicht funktioniert der verdammte Apparat ja nicht.
Aber nicht, wenn Emma alles mitkriegt.
Ich bleibe einfach stehen, wo ich bin, unfähig, mich von der Tür zu entfernen, durch die Niklas hätte schreiten sollen. Um mich in einen romantischen Sonntag zu entführen. Wie schön das gewesen wäre!
Seine Eltern und Schwester hin oder her.
Gestylt oder nicht.
Dann könnten mir nämlich Jörg und seine Neue gestohlen bleiben.
Und auch, dass ich mich noch kein bisschen um eine neue Wohnung gekümmert habe, weil ich so damit beschäftigt war, ein erstaunlicher Glückspilz zu sein.
Ich drehe mich um und lege meine Stirn an das kühle, glatte Holz der Wohnungstür. Mir ist richtig zum Heulen.
»Iris?«, fragt Emma besorgt.
Im selben Moment klopft es an der Tür. Genau da, wo meine Stirn ist. Erschrocken zucke ich zurück.
Es klopft ein zweites Mal.
Probeweise wische ich über meine Augen. Noch keine Tränen. Zum Glück. Ich atme einmal tief durch. Dann reiße ich die Tür auf.
Oh, ich bin mir sicher, meine Augen haben selten so gestrahlt, wie in dem Moment, in dem ich sehe, dass es tatsächlich Niklas ist. Ein warmes Lächeln legt sich auf mein Gesicht, und ich spüre, dass meine Wangen eine so glückliche Farbe annehmen, wie auch das teuerste Rouge sie nicht zaubern könnte.
Niklas tritt einen winzigen Schritt zurück, und sein Mund öffnet sich verwundert.
»Wow«, sagt er leise.
Niklas ist da, und ich bin ein Glückspilz!
Am liebsten würde ich ihn umarmen.
»Hallo!«, rufe ich und strecke ihm meine Hand hin.
Er rührt sich nicht, sondern sieht mich einfach nur an.
»Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
Er nimmt sofort meine Hand und schüttelt sie kurz.
»Nein, nein. Im Gegenteil …«
Er lächelt verlegen.
»Im Gegenteil?«
Mir fällt auf, dass er dasselbe Outfit wie schon am Montag beim Niedergaren trägt. Hellblaues Hemd und dunkle Weste.
»Alles ist in Ordnung, Iris«, sagt Niklas. »Du siehst nur so … so hübsch aus.« Er schaut mir tief in die Augen. »Das hat mich ein wenig … umgehauen!«
Mein Gesicht wird dermaßen rot, dass es bestimmt nicht mehr hübsch ist.
Ich habe einen Mann umgehauen! Kaum zu fassen.
Aber was nun?
Natürlich habe ich keine Ahnung, wie eine Frau sich in so einem Fall verhält.
»Aha«, sage ich in dem kläglichen Versuch, so zu klingen, als sei er durchaus nicht der Erste.
»Aha?«, fragt Niklas mit einem amüsierten Lächeln.
Rasch drehe ich mich um, damit er nicht sieht, wie peinlich mir das Ganze wird. »Komm doch bitte rein«, sage ich über meine Schulter und eile in die Wohnung.
Auch das noch! Mitten im Flur hat sich wie ein pflichtbesessener rosa Schutzengel Emma in ihrem Bademantel aufgebaut. Anstelle einer Begrüßung fragt sie Niklas barsch: »Wie sind Sie denn unten durch die Eingangstür gekommen? Stand die etwa offen?«
»O nein. Keine Sorge!«, antwortet Niklas und verzichtet auch seinerseits auf jede Begrüßung. »Eine nette ältere Dame hat mich mit reingelassen.«
»Eine ältere Dame?« Emma überlegt kurz. »Doch nicht etwa Frau Weber?«
Niklas schaut sie schulterzuckend an.
»Keine Ahnung, wie die Dame heißt. Wir haben uns noch nicht vorgestellt.«
»Wie sah sie denn aus?«, verhört Emma ihn ungerührt weiter.
Niklas sieht inzwischen genervt aus.
»Sie hat jede Menge
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