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Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)

Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)

Titel: Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Nelle
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Rumpelnd fährt die Straßenbahn an.
    Schon erstaunlich, wie gut mir diese Gedanken tun. Ich hänge ihnen noch eine Weile nach und steige dann an der Domsheide aus. Es beruhigt mich etwas, dass ich mich schon ein bisschen besser fühle.
    Auf dem Weg ins Büro bleibt mein Blick an einer Frau hängen, die mir zwischen den Marktständen auf dem Rathausplatz mit einem Hündchen entgegenkommt. Wie angewurzelt bleibe ich stehen.
    Gesine.
    Ganz ohne Zweifel. Gesine.
    Niklas’ Ex hat zugenommen, seit das Hakennasen-Foto aufgenommen worden war. Sie ist nicht mehr so auffallend schlank und hat nun, schätze ich, so ziemlich dieselbe Konfektionsgröße wie ich.
    Sprich: gerade noch schlank.
    Es steht ihr ausgezeichnet.
    Ich bleibe am nächsten Marktstand stehen und tue so, als wolle ich einen Apfel aussuchen. Dabei beobachte ich verstohlen, wie Gesine unverkrampft ihren Hund anfeuert und lobt, während sie näher kommt. Womöglich ist sie mir deshalb auch schon mal früher aufgefallen. Weil sie so nett zu ihrem Vierbeiner ist. Weniger wegen ihres Aussehens. Obwohl sie eigentlich recht hübsch ist – was einem spätestens klar wird, wenn man auf dem Foto verzweifelt nach einer Nasendeformität sucht.
    Gesine macht ausgerechnet an dem Obststand halt, an dem ich vorgebe, nach einem Apfel für eine gesunde Mittagspause zu fahnden. Sofort steigt mir Röte ins Gesicht. Als täte ich irgendetwas Verbotenes. Und als wüsste Gesine davon.
    Im nächsten Augenblick steht sie genau neben mir.
    »Die mag ich auch am liebsten!«, sagt sie und nickt in Richtung des rotglänzenden Apfels in meiner Hand.
    »Hm.« Verwirrt und überrascht schaue ich auf das tatsächlich sehr ansprechende Obst. Keine Ahnung, wie der in meine Hand gekommen ist.
    »Doch wirklich«, sagt Gesine eifrig. »Die Sorte sollten Sie nehmen. Lecker, saftig. Und äußerst vitaminreich.«
    Was für ein netter Mensch sie ist.
    Gebannt starre ich sie an.
    Ihr scheint tatsächlich daran gelegen zu sein, dass eine Wildfremde sich genussvoll und gesund ernährt.
    Ich muss lächeln.
    »Danke für den Tipp!«, sage ich erfreut über so viel Freundlichkeit und wünsche mir einen Moment, dass sie mir wirklich fremd wäre. Dann könnten wir bei einem kurzen Plausch über Mittagspausen feststellen, dass wir beide an dieselben amtlichen Pausenzeiten gebunden sind. Und beide die städtische Kantine mit ihren mehligen Saucen und verkochtem Gemüse verabscheuen.
    Aber tatsächlich muss ich achtgeben. Ich kann ja Gesine nicht einfach mit ihrem Vornamen ansprechen. Ich will ihr auch gar nicht erklären, woher ich den kenne, und schon gar nicht möchte ich mit ihr über Niklas reden. Das Letzte, was ich jetzt brauche, ist, von dieser liebenswürdigen Person zu hören, warum sie ihn verlassen hat. Erst will ich ihm eine faire Chance geben.
    »Drei von diesen Äpfeln, bitte!«, sage ich zu der Obstverkäuferin.
    Gesine lächelt mich zufrieden an.
    »Eins zwanzig!«, ruft die Verkäuferin und reicht mir eine braune Papiertüte mit den Früchten.
    Ich bezahle, während Gesine ebenfalls Äpfel, Bananen und rote Trauben auswählt. Offenbar meint sie es ernst mit der bewussten Ernährung.
    Eigentlich müsste ich jetzt gehen.
    Eigentlich.
    Aber Gesine ist eine Frau, die Niklas anziehend fand. Während ich mein Portemonnaie verstaue, versuche ich also möglichst unauffällig festzustellen, ob sie mir ein wenig ähnlich sieht.
    Hm.
    Figur: Ja. Aber: Früher war sie ja viel dünner.
    Haare: Jein. Auch kurz und braun – aber lockig.
    Gesine dreht sich nach Abschluss ihres Einkaufs zu mir um.
    Also schnell der letzte Punkt.
    Gesicht: Ja. Eindeutig.
    Unglaublich, dass es mir nicht schon auf dem Foto aufgefallen ist – vielleicht, weil sie damals so dünn war.
    Gesines Gesicht ist eher rund. Genau wie meins. Ihre Augen sind ziemlich groß, so wie meine – nur grau statt braun. Ihre Lippen sind fast so voll wie meine. Und ihre Nase ist auch etwas zu kurz – nur schmaler als meine.
    »Habe ich da etwas?«, fragt Gesine mich und fasst an ihre Nase. »Manchmal kriege ich dort tatsächlich noch einen Pickel!«, kichert sie. »Obwohl ich aus dem Alter längst raus bin! Ist da einer? Dann werde ich ihm gleich mit antibakterieller Creme zu Leibe rücken.«
    Mein Gott, wie offen und unumwunden sie ist.
    Ich bin stumm vor Verlegenheit.
    Heftig schüttle ich den Kopf, damit Gesine sich weiter keine Sorgen um ihre Nase macht, auf die ich mich inzwischen regelrecht spezialisiert fühle.
    Oh, wie konnte ich

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