Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
Niklas’ Ex nur so unter die Lupe nehmen.
Peinlich, wie wichtig es mir ist, seinem Typ zu entsprechen. Und ist es überhaupt gut, dass ich Gesine ähnlich sehe? Ich will doch keine Art Ersatz für seine Ex sein.
Mir ist plötzlich eiskalt.
Ich merke, dass Gesine mich fragend anschaut. Ich glaube, sie hat gerade irgendetwas zu mir gesagt.
»Wie bitte?«, frage ich höflich und versuche, das nagende Gefühl abzuschütteln, dass diese blöden Ähnlichkeiten durchaus etwas bedeuten könnten.
»Sie sind aus heiterem Himmel so blass geworden, dass ich dachte, Sie würden jeden Moment umkippen. Ich wollte Ihnen schon unter den Arm greifen«, sagt Gesine besorgt. »Aber nun bekommen Sie wieder Farbe. Gut so«, fügt sie mit einem warmen Lächeln hinzu.
O Gott, ich kann mir ohne weiteres vorstellen, dass diese Frau Bruno und Felix Feld ebenso hilfreich zur Seite gestanden hätte wie ich in den letzten Jahren, wäre Bruno ihr Vorgesetzter gewesen. Womöglich beschränken sich unsere Gemeinsamkeiten nicht nur auf das Äußere.
Schluss jetzt!
Solche Gedanken belasten mich nur. Und deshalb kann ich sie mir in meiner Lebenslage überhaupt nicht leisten. Außerdem sind sie höchst unfair Niklas gegenüber. Schließlich kann es doch purer Zufall sein, dass Gesine und ich uns etwas ähnlich sehen. Und eventuell auch sind.
Außerdem hätte ich bestimmt etliche Unterschiede entdeckt, wenn ich nur danach Ausschau gehalten hätte.
Ich hole tief Luft. So nett sie auch sein mag, diese Frau tut mir nicht gut.
»Der Blutdruck. Ist wohl im Keller«, sage ich. »Hatte noch keinen Kaffee. Werde mir gleich mal im Büro einen aufsetzen. Schönen Tag Ihnen!«
Gesine sieht mich überrascht und etwas enttäuscht an. Als wäre ich ihr sympathisch. Und als hätte sie angenommen, sie mir auch.
»Auf Wiedersehen!«, sagt sie irritiert und trotzdem freundlich.
Hastig drehe ich mich um und eile Richtung Ordnungsamt.
Hoffentlich verliert mich diese Sozialkompetenz-Weltmeisterin zwischen den vielen Marktständen aus ihrem wohlmeinenden Blick, bevor ich dort ankomme. Irgendwie möchte ich lieber nicht, dass sie weiß, wo ich arbeite.
Als ich das Ordnungsamt betrete, kommt mir Bruno auf dem breiten, kahlen Flur entgegen. Sobald er meiner ansichtig wird, eilt er auf mich zu und riesengroße Anteilnahme tritt in sein Gesicht, als wäre ich der vom Schicksal am schlimmsten gebeutelte Mensch der Welt.
Ich werde langsamer.
»Iris! Wie geht es dir heute? Konntest du dich am Wochenende ein bisschen berappeln?«, ruft er und bremst erst viel zu dicht vor mir ab.
Dass er immer so laut sprechen muss.
Ich trete unauffällig einen halben Schritt zurück.
»Mir geht es ganz gut.« Ich zucke mit der Schulter.
Gott sei Dank ist gerade niemand auf dem Flur unterwegs.
Mir wäre es wirklich lieber, Bruno wäre nicht so wild entschlossen, sich durch vorbildliche Hilfsbereitschaft hervorzutun. Die ganze letzte Woche hat er derart lautstark sein Bedauern für meine missliche Lage bekundet, dass inzwischen das halbe Amt im Bilde ist.
»Ganz gut? Wirklich?«, fragt er und rückt seine bereits untadelig gerade Krawatte zurecht.
Ach, ich weiß ja, dass Bruno es nur gut meint. Und dass er nur selten den richtigen Ton trifft.
Ich schüttle also lediglich ein wenig genervt den Kopf und verzichte darauf, ihm klipp und klar zu sagen, dass er mich die nächsten Tage nur noch in dienstlichen Belangen ansprechen soll.
»Ich schätze deine Sorge um mich wirklich sehr, Bruno. Inzwischen gibt es aber den einen oder anderen kleinen Hoffnungsschimmer. Womöglich entwickelt sich meine Krise noch zu einer richtigen Chance.«
Bruno sieht mich überrascht an.
Nun gut, das war vielleicht etwas zu optimistisch formuliert. Es dämpft aber vielleicht Brunos Drang, mir zu helfen.
»Chance?«, fragt er. »Auf was?«
Sofort muss ich an Niklas denken.
»Na ja. Das Ende einer Beziehung ermöglicht schließlich den Beginn einer neuen. Einer besseren«, erkläre ich forsch, während ich weiter an Niklas denke.
»Ja, schon«, sagt Bruno.
Er blickt mich stirnrunzelnd an.
»Gibt es, ich meine, hast du schon jemand, jemand«, stottert er so unbeholfen, dass er mir leidtut.
»Ja«, antworte ich dennoch ohne Umschweife.
»Ja«, stellt Bruno matt fest.
Ich nicke bekräftigend.
Sehr gut. Dies ist genau die richtige Vorgehensweise, um Bruno auf Distanz zu halten.
»Es ist dieser Mann mit dem Blumenstrauß, oder?«, fragt er leise.
Das soll offenbar nicht das gesamte Amt
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