High Fidelity (German Edition)
ich werkelte und werkelte an diesem einen Tape, und es fliegen immer noch ein paar frühe Demos in der Wohnung herum, Versuchstapes, die mir beim Durchhören dann doch nicht gefallen hatten. Und am Freitagabend, am Clubabend, zog ich es aus meiner Jackentasche, als sie zu mir rüberkam, und wir hatten unser Gesprächsthema. Es war ein guter Anfang.
Laura war, ist Rechtsanwältin, allerdings war sie, als ich sie kennenlernte, eine andere Sorte Rechtsanwältin als heute: Damals arbeitete sie für eine Rechtsberatungsstelle (daher, vermute ich, das Ausgehen und die schwarze Motorradjacke), heute arbeitet sie für eine Kanzlei in der City (daher, vermute ich, die Restaurants, die teuren Kostüme, das Verschwinden der stacheligen Frisur und ein vorher nicht gekannter Hang zu gelangweiltem Sarkasmus), nicht etwa, weil sich irgendeine politische Einstellung geändert hätte, sondern weil sie ihren Arbeitsplatz verlor und keinen neuen Job in der Rechtsberatung finden konnte. Sie mußte einen Job annehmen, der rund fünfundvierzig Riesen im Jahr bringt, weil sie keinen finden konnte, der unter zwanzig einbrachte. Sie merkte an, damit sei über den Thatcherismus alles gesagt, und ich vermute, da hatte sie recht. Sie veränderte sich, als sie den neuen Job antrat. Sie war immer engagiert gewesen, aber vorher hatte das Engagement einen Sinn gehabt. Sie konnte sich um Mieterrechte kümmern, über Immobilienhaie ärgern und für Kinder einsetzen, die in Häusern ohne fließendes Wasser leben. Heute ist Arbeit das einzige Ventil für ihr Engagement – wieviel sie zu tun hat, der Druck, unter dem sie steht, wie sie sich macht, was die Kollegen von ihr halten, solche Sachen halt. Und wenn ihre Arbeit sie nicht beschäftigt, dann beschäftigt es sie, daß ihre Arbeit sie nicht so beschäftigen sollte, oder zumindest nicht diese Art von Arbeit, wie auch immer.
Manchmal – in letzter Zeit eher selten – konnte ich etwas tun oder sagen, das ihr erlaubte, ein wenig aus sich herauszugehen, und dann harmonierten wir am besten. Sie beklagt häufig meine »gnadenlose Trivialität«, aber die hat ihre Vorzüge.
Ich war nie unsterblich in sie verknallt, und das machte mir Sorgen hinsichtlich der weiteren Zukunft: Ich war der Meinung – und in Anbetracht dessen, wie es mit uns ausging, bin ich es immer noch –, daß alle Beziehungen diesen heftigen Schub brauchen, den Verknalltsein mit sich bringt, um sie in Fahrt und über die ersten Untiefen zu bringen. Und wenn dieser erste Schwung raus ist und man in stilleres Fahrwasser kommt, kann man in Ruhe Bilanz ziehen, was man erreicht hat. Das kann etwas völlig anderes sein, etwas ungefähr Gleiches, aber Sanfteres und Ruhigeres, oder rein gar nichts.
Bei Laura änderte ich eine Zeitlang meine Ansicht über die ganze Prozedur. Für uns gab es keine schlaflosen Nächte, Appetitlosigkeit oder quälendes Warten auf das Klingeln des Telefons. Aber das kümmerte uns nicht, und weil wir nie unter Dampf gestanden hatten, der irgendwann verpuffen konnte, mußten wir auch nie in Ruhe Bilanz ziehen, was wir erreicht hatten, denn was wir erreichten, war genau das, was wir immer schon gehabt hatten. Sie machte mich nicht unglücklich, nicht unruhig oder verlegen, und wenn wir ins Bett gingen, war ich nie panisch und ließ mich hängen, falls ihr versteht, was ich meine, und ich glaube, ihr versteht.
Wir gingen viel aus, und sie kam jede Woche in den Club, und als sie ihre Wohnung in Archway verlor, zog sie zu mir, und alles war wunderbar und blieb so Jahr um Jahr. Wenn ich mich dumm stellen wollte, würde ich behaupten, das Geld hätte alles verändert: Als sie ihren Job wechselte, hatte sie plötzlich Unmengen davon, und als ich die Arbeit im Club verlor und die Konjunkturkrise den Laden für Passanten plötzlich unsichtbar zu machen schien, hatte ich gar keins mehr. Natürlich machen solche Dinge das Leben kompliziert, und man muß allerlei Kurskorrekturen vornehmen, Kämpfe austragen und Grenzen ziehen. Aber tatsächlich lag es nicht am Geld. Es lag an mir. Wie Liz schon sagte, ich bin ein Arschloch.
Am Abend, bevor Liz und ich in Camden einen trinken gehen wollten, trafen sich Liz und Laura irgendwo zum Essen, und Liz wusch Laura wegen Ian den Kopf, und Laura hatte nicht vor, irgend etwas zu ihrer Verteidigung vorzubringen, denn das wäre unweigerlich gegen mich gegangen, und sie hat einen ausgeprägten und manchmal unangebrachten Sinn für Loyalität. (Ich zum Beispiel hätte mich nicht
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