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High Fidelity (German Edition)

High Fidelity (German Edition)

Titel: High Fidelity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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Kiste haben, die sie gerade durchschauen, in eine völlig andere Abteilung des Ladens marschieren, irgendwo ein Cover aus der Mitte ziehen und zur Ladentheke kommen. Das kommt daher, daß sie sich im Kopf eine Liste möglicher Erwerbungen angelegt haben (»Wenn ich in den nächsten fünf Minuten nichts finde, muß die Blues-Compilation reichen, die ich vor einer halben Stunde gesehen habe«), und plötzlich die Nase voll davon haben, noch mehr Zeit darauf zu verschwenden, nach etwas zu suchen, was sie eigentlich gar nicht wollen. Ich kenne dieses Gefühl gut (das sind meine Leute, und ich verstehe sie besser als sonst jemanden auf der Welt): Es ist eine haarige, schweißtreibende und panische Situation, und man kommt mit weichen Knien aus dem Laden. Man geht danach viel schneller, um die verlorene Zeit des Tages aufzuholen, und ziemlich oft hat man das Verlangen, den internationalen Teil einer Zeitung zu lesen oder sich einen Peter-Greenaway-Film anzusehen, etwas Solides und Gehaltvolles zu konsumieren, das sich über die Nichtsnutzigkeit legt, die einem wie Zuckerwatte das Hirn verklebt.
    Die anderen Leute, die ich mag, sind diejenigen, die getrieben sind von der Suche nach einer Melodie, die ihnen nicht aus dem Kopf geht, sie zum Wahnsinn treibt, eine Melodie, die sie in ihren Atemstößen hören können, wenn sie zum Bus rennen, oder im Rhythmus ihrer Scheibenwischer, wenn sie nach Hause fahren. Manchmal ist etwas Banales und Naheliegendes Auslöser dieser Besessenheit: Sie haben sie im Radio gehört oder im Club. Aber manchmal ist es wie durch Zauberei über sie gekommen. Manchmal überkam es sie, weil sie bei schönem Wetter ein nettes Mädchen sahen, und plötzlich ertappten sie sich dabei, ein Bruchstück eines Songs zu summen, den sie seit fünfzehn oder zwanzig Jahren nicht gehört hatten. Einmal kam ein Typ rein, weil er eine Platte geträumt hatte, das komplette Ding, Melodie, Titel und Interpret. Und als ich sie für ihn gefunden hatte (es war eine alte Reggae-Nummer, »Happy Go Lucky Girl« von den Paragons), und sie mehr oder weniger genauso war, wie sie ihm im Traum erschienen war, gab mir sein Gesichtsausdruck das Gefühl, als sei ich mehr als nur ein Mensch, der einen Plattenladen betreibt – eher eine Hebamme oder ein Maler vielleicht, jemand, dessen Leben von Berufs wegen transzendental ist.
    An Samstagen kann man genau sehen, wie Dick und Barry wirklich sind. Dick ist so geduldig und enthusiastisch und freundlich wie ein Grundschullehrer: Er verkauft den Leuten Platten, von denen sie gar nicht wußten, daß sie sie wollen, denn er erkennt intuitiv, was das richtige für sie ist. Er plaudert, dann legt er etwas auf den Plattenspieler, und schon lassen sie fast gedankenlos ihre Fünfer rüberwachsen, als seien sie ohnehin nur dazu hergekommen. Barry hingegen überfährt die Kunden einfach. Er putzt sie runter, weil sie das erste Album von Jesus and Mary Chain nicht besitzen, und dann kaufen sie es, und er lacht sie aus, weil sie Blonde On Blonde nicht haben, und sie kaufen das auch, er platzt vor Lachen, weil sie noch nie von Ann Peebles gehört haben, und dann kaufen sie auch noch irgendwas von der. So gegen vier Uhr, wenn ich uns gerade eine Tasse Kaffee mache, verspüre ich an den meisten Samstagnachmittagen ein kleines Glücksgefühl, vielleicht weil es ja letztendlich mein Geschäft ist, und es ganz gut läuft, oder weil ich stolz auf uns bin, auf die Art, wie wir das Beste aus unseren Talenten machen – auch wenn sie beschränkt und sehr speziell sind.
    Als ich schließlich den Laden zumache und wir uns fertigmachen, um wie jeden Samstag einen trinken zu gehen, verstehen wir uns wieder bestens. Wir haben uns einen Vorrat an Wohlwollen angelegt, den wir an den nächsten paar öden Tagen aufbrauchen werden und von dem bis zum nächsten Freitagmittag nichts mehr geblieben sein wird. Wir sind sogar so gut gelaunt, daß wir, nachdem wir die Kunden rausgeschmissen haben und ehe wir für heute gehen, noch unsere fünf Lieblingssongs von Elvis Costello auflisten (Ich wähle »Alison«, »Little Triggers«, »Man Out Of Time«, »King Horse« und die Bootleg-Version im Merseybeatstil von »Everyday I Write The Book«, die ich irgendwo auf Kassette habe. Durch die Obskurität des Letztgenannten mache ich – geschickt, wie ich finde – die Banalität der ersten Nennungen wieder wett und komme damit Barrys spöttischen Kommentaren zuvor), und nach dem beleidigten Schmollen und den Streitereien der

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