High Fidelity (German Edition)
von Jean Knight, »The Love You Save« von den Jackson Five, »The Ghetto« von Donny Hathaway.)
Und ich liebte meinen DJ-Job. Auf einen Raum voller Köpfe herabzublicken, die sich zu der Musik bewegen, die man selbst ausgewählt hat, ist eine erhebende Sache, und während der sechs Monate, in denen der Club angesagt war, war ich glücklich wie nie. Es war die einzige Zeit, in der ich mir richtig schwungvoll vorkam, auch wenn ich später einsah, daß es ein falscher Elan war, denn er entsprang gar nicht mir, sondern der Musik: Jeder, der seine Lieblingstanznummern sehr laut in einem vollen Laden spielt, vor Leuten, die dafür bezahlt haben, sie zu hören, hätte genau das gleiche empfunden. Schließlich erwartet man von Tanzmusik, daß sie Schwung hat – ich hatte das einfach verwechselt.
Wie dem auch sei, ich lernte Laura genau in der Mitte dieser Phase kennen. Sie schätzt, daß sie schon drei-oder viermal im Club war, ehe ich sie bemerkte, und das kann gut stimmen – sie ist klein, mager und auf eine Art hübsch, die an Sheena Easton vor der Hollywood-Imagekorrektur erinnert (obwohl sie mit ihrem stacheligen Radikale-Rechtsanwältin-Haarschnitt, ihren Stiefeln und ihren angsteinflößenden blaßblauen Augen härter als Sheena Easton aussah), aber es gab dort hübschere Frauen, und wenn man den Blick schweifen läßt, guckt man sich die hübschesten an. Bei diesem dritten oder vierten Mal also kam sie zu meinem kleinen Podiumsdings und sprach mich an, und ich mochte sie auf Anhieb: Sie bat mich, eine Platte zu spielen, die ich wirklich liebe (»Got To Get You Off My Mind« von Solomon Burke, falls das jemanden interessiert), die aber bislang jedesmal, wenn ich sie auflegte, die Tanzfläche leergefegt hatte.
»Warst du früher schon mal hier, als ich es gespielt habe?«
»Ja«
»Gut, dann hast du ja gesehen, was passierte. Sie waren alle drauf und dran, abzuhauen.«
Der Song dauert drei Minuten, und ich hatte ihn nach etwa einer Minute runternehmen müssen. Statt dessen spielte ich »Holiday« von Madonna. Ich spielte hin und wieder modernes Zeug, in Krisensituationen, so wie Leute, die an Homöopathie glauben, manchmal auf die Schulmedizin zurückgreifen müssen, obwohl sie sie ablehnen.
»Das werden sie diesmal nicht.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich die Hälfte der Leute hier mitgebracht habe und schon dafür sorgen werde, daß sie tanzen.«
Also legte ich es auf, und tatsächlich bevölkerten Laura und ihre Freunde die Tanzfläche, aber nach und nach hörten alle wieder auf, schüttelten die Köpfe und lachten. Es ist schwierig, zu dem Song zu tanzen: Es ist ein Midtempo-R&B-Stück, und irgendwie bricht das Intro dauernd ab und fängt dann wieder an. Laura gab nicht auf, und obwohl ich sehen wollte, ob sie tapfer bis zum Schluß durchhält, machte es mich nervös, daß die Leute nicht tanzten, und ich legte schnell »The Love You Save« auf.
Zu den Jackson Five wollte sie nicht tanzen und kam zu mir herübermarschiert, aber sie grinste und meinte, sie würde nicht noch mal fragen. Sie wolle nur wissen, wo sie die Platte kaufen könne. Ich sagte darauf, wenn sie nächste Woche wiederkäme, hätte ich ein Tape für sie dabei, und sie sah sehr erfreut aus.
Ich verbrachte Stunden damit, die Kassette zusammenzustellen. Ein Tape zu machen, ist für mich wie einen Brief zu schreiben – da gibt es jede Menge auszuradieren, neu zu überdenken und von vorne anzufangen, und ich wollte, daß es ein gutes würde, weil … um ehrlich zu sein, weil ich, seit ich mit dem Plattenauflegen begonnen hatte, niemanden kennengelernt hatte, der so vielversprechend wie Laura war, und vielversprechende Frauen kennenzulernen, war mit ein Grund, DJ zu werden. Ein gutes Compilation-Tape aufzunehmen ist – wie Schluß machen – ein hartes Stück Arbeit. Man muß mit einer Klassenummer anfangen, um das Interesse wachzuhalten (Ich begann mit »Got To Get You Off My Mind«, aber mir wurde dann klar, daß sie möglicherweise über Stück eins, Seite eins nicht hinauskommt, wenn ich ihr direkt das gebe, was sie will, folglich versteckte ich es Mitte der zweiten Seite), dann muß man noch eine Klasse besser werden, oder eine Klasse runtergehen, man kann weiße Musik nicht mit schwarzer kombinieren, es sei denn, die weiße Musik klingt wie schwarze Musik, man kann nicht zwei Nummern desselben Künstlers hintereinander bringen, es sei denn, man macht alles paarweise, und … ach, es gibt da jede Menge Regeln.
Wie auch immer,
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