High Fidelity (German Edition)
stellen.«
»Ich auch«, sagt Dick.
Als sie weg sind, verdrücke ich mich schnell und winke mir ein Taxi heran. Es ist klasse, deprimiert zu sein, man kann sich so mies aufführen, wie man möchte.
Ist es so falsch, zu Hause bei seiner Schallplattensammlung sein zu wollen? Plattensammeln ist nicht so wie Briefmarken oder Bierdeckel oder antike Fingerhüte sammeln. Da steckt eine ganze Welt drin, eine schönere, schmutzigere, gewalttätigere, friedlichere, farbenfrohere, schlüpfrigere, gemeinere und liebevollere Welt als die, in der ich lebe. Da gibt es Geschichte und Geographie und Poesie und zahllose andere Dinge, die ich in der Schule hätte lernen sollen, einschließlich Musik. Als ich nach Hause komme (zwanzig Mäuse von Putney nach Cronch End, ohne Trinkgeld), mache ich mir einen Kaffee, stöpsele die Kopfhörer ein und kämpfe mich durch jeden wütenden Song über Frauen von Bob Geldof bis Elvis Costello, den ich besitze, und als ich die durchhabe, halte ich mich an ein Neil-Young-Live-Album, bis mir der Kopf vom Feedback klingelt, und als ich mit Neil Young fertig bin, gehe ich ins Bett und starre die Decke an, was nicht mehr die verträumte, neutrale Beschäftigung ist wie einst. Das war doch ein Witz, oder, der ganze Marie-Kram? Ich habe mir vorgemacht, da gäbe es etwas, wozu ich übergehen könnte, einen leichten, nahtlosen Übergang. Das ist mir jetzt klar. Mir ist alles klar, wenn es erst mal passiert ist – was Vergangenheit angeht, bin ich richtig gut. Die Gegenwart kann ich nicht verstehen.
Ich komme zu spät zur Arbeit, und Dick hat bereits eine Nachricht von Liz entgegengenommen. Ich soll sie dringend auf der Arbeit anrufen. Ich habe nicht vor, sie auf der Arbeit anzurufen. Sie will unsere Verabredung für heute abend absagen, und ich weiß warum und werde es ihr nicht gestatten. Sie muß mir das schon ins Gesicht sagen.
Ich lasse Dick zurückrufen und ihr erklären, er hätte vergessen zu sagen, daß ich den ganzen Tag nicht reinkäme – ich sei auf einer Plattenbörse in Colchester und käme extra für eine Verabredung heute abend zurück. Nein, Dick habe keine Telefonnummer. Nein, Dick habe wenig Hoffnung, daß ich im Laden anrufen würde. Ich gehe für den Rest des Tages nicht ans Telefon, nur für den Fall, daß sie mich zu erwischen versucht.
Wir hatten uns in Camden verabredet, in einem ruhigen Youngs-Pub auf dem Parkway. Ich bin früh dran, aber ich habe ein Time Out dabei, und so sitze ich mit meinem Pint und ein paar Cashewkernen in der Ecke und gucke, welche Filme ich mir ansehen würde, wenn ich jemanden hätte, der mitkäme.
Das Treffen mit Liz dauert nicht lange. Ich sehe, wie sie auf meinen Tisch zugestürmt kommt – sie ist nett, Liz, aber sie ist riesengroß, und wenn sie, wie jetzt, wütend ist, ziemlich furchteinflößend – und ich versuche es mit einem Lächeln, sehe aber, daß es nichts werden wird, denn sie ist zu geladen, um sich davon stoppen zu lassen.
»Du bist ein mieses Arschloch, Rob«, sagt sie, und dann dreht sie sich um und geht raus, und die Leute am Nebentisch glotzen mich an. Ich erröte, starre in mein Time Out und trinke einen kräftigen Schluck von meinem Pint, in der Hoffnung, daß das Glas mein rot angelaufenes Gesicht verdeckt.
Natürlich hat sie recht. Ich bin ein mieses Arschloch.
E in paar Jahre lang, gegen Ende der Achtziger, war ich DJ in einem Club in Kentish Town, und dort lernte ich auch Laura kennen. Es war kein großartiger Pub, eigentlich nur ein Raum über einem Pub, aber für einen Zeitraum von sechs Monaten bei einem gewissen Publikum beliebt – dem modisch angehauchten, aber unprätentiösen Schwarze-501s-und-Docs-Publikum, das in Scharen vom Camden Market zum Town and Country, zum Dingwalls, zum Electric Ballroom und zum Camden Plaza zu ziehen pflegte. Ich war ein guter DJ, glaube ich. Auf jeden Fall schienen sich die Leute zu amüsieren: Sie tanzten, blieben lange und fragten, wo sie ein paar von den Platten, die ich spielte, kaufen könnten, und sie kamen Woche für Woche wieder. Wir nannten ihn Groucho's Club, nach dem Ausspruch von Groucho Marx, daß er in keinen Club wolle, der ihn als Mitglied nehmen würde. Später fanden wir heraus, daß es irgendwo im West End noch einen Groucho Club gab, aber niemand schien die beiden zu verwechseln. (Bei der Gelegenheit die fünf beliebtesten Tanznummern im Groucho: »It's A Good Feeling« von Smokey Robinson and the Miracles, »No Blow No Show« von Bobby Bland, »Mr. Big Stuff«
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