High Fidelity (German Edition)
letzten Woche ist es richtig schön, wieder über solche Dinge nachzudenken.
Aber als wir den Laden verlassen, wartet dort Laura auf mich, an das Mäuerchen gelehnt, das uns vom Schuhladen nebenan trennt, und mir fällt wieder ein, daß in meinem Leben gerade keine Wohlfühlphase angesagt ist.
D as mit dem Geld ist leicht zu erklären: Sie hatte es, ich nicht, und sie wollte es mir geben. Das war damals, als sie schon einige Monate in ihrem neuen Job arbeitete und ihre Gehälter sich auf dem Konto zu stauen begannen. Sie lieh mir fünf Riesen. Hätte sie das nicht getan, wäre ich den Bach runtergegangen. Ich habe es ihr nie zurückgezahlt, weil ich nie dazu in der Lage war, und die Tatsache, daß sie ausgezogen ist und einen anderen trifft, macht mich nicht um fünf Riesen reicher. Neulich am Telefon, als ich sie nervte und ihr erklärte, sie habe mein Leben zerstört, da sagte sie irgendwas von dem Geld, so in der Art, ob ich es ihr in Raten zurückzahlen könne, und ich sagte, ich würde wöchentlich ein Pfund zurückzahlen, für die nächsten hundert Jahre. Da hatte sie dann aufgelegt.
Soviel zum Geld. Nun zu dem, was ich ihr darüber erzählte, ich sei unglücklich in der Beziehung und kurz davor, mich anderweitig umzusehen: Sie hat mich dazu getrieben, das zu sagen. Das klingt wenig überzeugend, aber so war es. Wir hatten eine Grundsatzdiskussion, und sie meinte ziemlich nüchtern, wir seien momentan in einer recht unglücklichen Phase, und ich stimmte zu. Sie fragte mich, ob ich jemals daran gedacht hätte, mich mit einer anderen zu treffen, was ich abstritt, worauf sie lachte und meinte, daß Leute in unserer Lage immer daran denken würden, sich mit anderen zu treffen. Also fragte ich sie, ob sie ständig daran dächte, einen anderen zu treffen, und sie meinte, na klar, worauf ich zugab, mich manchmal Tagträumen dieser Art hinzugeben. Damals dachte ich, unser Gespräch sei allgemeiner Natur, »Sehen wir dem Leben mal ins Auge« und so, eine abstrakte, erwachsene Analyse. Heute begreife ich, daß sie mich damit drangekriegt hat, ihr Absolution zu erteilen. Es war ein hinterhältiger Anwaltstrick, und ich bin darauf reingefallen, weil sie viel cleverer ist als ich.
Ich wußte nicht, daß sie schwanger war, natürlich nicht. Sie hat es mir nicht erzählt, weil sie wußte, daß ich mich mit einer anderen treffe. (Sie wußte, daß ich eine andere treffe, weil ich es ihr erzählt habe. Wir dachten, wir seien erwachsen, aber es war lächerlich naiv, ja kindisch von uns, zu glauben, einer von uns könne etwas anstellen und seine Verfehlung offen eingestehen, solange wir zusammenlebten.) Ich fand es erst Ewigkeiten später heraus: Wir waren gerade in einer harmonischen Phase, und ich machte einen Scherz übers Kinderkriegen, und sie brach in Tränen aus. Also zwang ich sie, mir zu erzählen, was eigentlich los sei, und das tat sie, worauf ich einen kurzen und unangebrachten Anfall lärmender Selbstgerechtigkeit hatte (der übliche Kram – es sei auch mein Kind, mit welchem Recht blabla), bis ihre Ungläubigkeit und Verachtung mich zum Schweigen brachten. »Du machtest in der Zeit nicht unbedingt den Eindruck einer guten Investition für die Zukunft«, meinte sie. »Ich mochte dich auch nicht besonders. Ich wollte kein Baby von dir. Ich wollte nicht an eine gräßliche Besuchsrechtsregelung denken, die unsere ganze weitere Zukunft bestimmen würde. Und ich wollte keine alleinerziehende Mutter sein. Da fiel die Entscheidung nicht besonders schwer. Es gab keinen Anlaß, dich dabei zu Rate zu ziehen.«
Das waren alles gute Gründe. Tatsächlich hätte ich, wäre ich damals schwanger gewesen, aus genau den gleichen Gründen abgetrieben. Ich wußte nichts mehr zu sagen.
Später am selben Abend, nachdem ich die ganze Schwangerschaftsgeschichte unter Berücksichtigung der neuen Informationen, die mir zur Verfügung standen, überdacht hatte, fragte ich sie, warum sie bei mir geblieben sei.
Sie dachte lange darüber nach.
»Weil ich vorher nie etwas durchgehalten habe und mir, als wir anfingen, miteinander zu gehen, vorgenommen hatte, daß ich wenigstens eine schwierige Phase durchstehe, nur um zu sehen, was passiert. Also tat ich das. Und dir tat das mit dieser blöden Rosie so herzergreifend leid …« – Rosie, die 4-Nummern-Simultanorgasmus-Nervensäge, das Mädchen, mit dem ich was gehabt hatte, als Laura schwanger war – »…, daß du ziemlich lange ausgesprochen nett zu mir warst, und das genau brauchte
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