High Fidelity (German Edition)
einen entscheidenden Unterschied. Soweit ich es mir erklären konnte, hüpften diese mikroskopisch kleinen, kaulquappenähnlichen Dinger einfach unsichtbar aus der Spitze deines Dingsbums, und als während meines ersten … na ja, vergiß es. Aber diese katastrophal eingeschränkte Kenntnis der männlichen Geschlechtsorgane verursachte Kummer, Verlegenheit und Scham, bis ein Schulfreund eines Nachmittags in einem Wimpy-Schnellrestaurant beiläufig anmerkte, der Speichel, den er in seinem Glas Wimpy-Cola zurückgelassen hatte, sehe »wie Wixe« aus, eine verwirrende Feststellung, die mich ein ganzes Wochenende fieberhaft rätseln ließ, obwohl ich in dem Moment natürlich wissend kicherte. Es ist schwierig, auf eine fremdartige Substanz zu starren, die oben auf einem Glas Cola treibt, und von dieser minimalen Information ausgehend das Rätsel des Lebens zu entschlüsseln, aber genau das mußte ich tun, und ich tat es auch.
Wie auch immer. Wir stehen auf und küssen uns, dann setzen wir uns hin und küssen uns, und eine Hälfte von mir beschwört mich, mich nicht aufzuregen, und die andere Hälfte ist mit mir selbst zufrieden, und diese beiden Hälften bilden ein Ganzes und lassen keinen Platz für das Hier und Jetzt, für Vergnügen oder Lust, also fange ich an, mich zu fragen, ob ich jemals Gefallen an diesem Kram gefunden habe, an der körperlichen Empfindung, meine ich, nicht dem ganzen Drumherum, oder ob es nur etwas ist, das ich glaube, tun zu müssen, und als diese Träumerei vorbei ist, stelle ich fest, daß wir uns nicht mehr küssen, sondern umarmen, und ich gegen die Sofalehne starre. Marie schiebt mich von sich weg, damit sie mich anschauen kann, und ehe ich sie sehen lasse, wie ich ausdruckslos ins Leere stiere, mache ich lieber meine Augen fest zu, was zwar mein unmittelbares Dilemma löst, aber auf lange Sicht wahrscheinlich ein Fehler ist, weil es so aussehen könnte, als habe ich fast mein ganzes Leben auf diesen Moment gewartet, und das wird sie entweder furchtbar erschrecken oder Schlüsse ziehen lassen, die sie nicht ziehen sollte.
»Bist du okay?« fragt sie.
Ich nicke. »Und du?«
»Bis jetzt. Aber ich wäre es nicht, wenn ich annehmen müßte, der Abend sei damit zu Ende.«
Mit siebzehn lag ich nachts wach und träumte davon, daß Frauen solche Dinge zu mir sagen, heute befällt mich dabei nur erneut Panik.
»Ich bin sicher, daß er das nicht ist.«
»Gut. In diesem Fall mache ich uns noch was zu trinken. Bleibst du beim Irischen, oder willst du einen Kaffee?«
Ich bleibe beim Irischen, damit ich eine Entschuldigung habe, falls nichts passiert, oder falls es zu schnell passiert oder blablabla.
»Weißt du, ich glaubte wirklich, du würdest mich hassen«, sagt sie. »Vor heute abend hast du nie mehr als zwei Worte mit mir gewechselt, und das waren echt zickige Worte.«
»Hat dich das neugierig gemacht?«
»Ja, in gewisser Weise, glaub' ich.«
»Das ist nicht die richtige Antwort.«
»Nein, aber … wenn ein Typ komisch auf mich reagiert, will ich wissen, was los ist, verstehst du?«
»Und weißt du es jetzt?«
»Nee. Du?«
Jau.
»Nee.«
Wir lachen fröhlich, vielleicht kann ich den Augenblick hinauszögern, wenn ich einfach weiterlache. Sie erzählt mir, daß sie mich süß gefunden habe, ein Wort, das noch niemals zuvor jemand im Zusammenhang mit mir gebraucht hat, und gefühlvoll, womit sie vermutlich meint, daß ich nicht viel sage und immer leicht pampig aussehe. Ich erzähle ihr, daß ich sie wunderschön finde, was ich irgendwie auch tue, und talentiert, was ich gewiß tue. Und in diesem Stil reden wir eine Weile weiter, beglückwünschen uns selbst zu unserem Glück und uns gegenseitig zu unserem guten Geschmack, wie halt solche Gespräche zwischen Küssen und Sex nach meiner Erfahrung immer laufen, und ich bin für jedes einzelne dumme Wort dankbar, denn so gewinne ich Zeit.
So schlimm hatte ich das sexuelle Flattern vorher noch nie. Klar, nervös wurde ich immer, aber ich habe nie daran gezweifelt, daß ich die Sache durchziehen wollte. Jetzt würde es mir vollauf reichen zu wissen, daß ich weiß, daß ich es könnte, wenn ich wollte, und wenn es eine Chance gäbe, sich um den nächsten Teil herumzumogeln – mir von Marie eine Art eidesstattlicher Erklärung ausstellen zu lassen, daß ich die Nacht mit ihr verbracht hätte, zum Beispiel –, würde ich sie ergreifen. Ich kann mir wirklich kaum vorstellen, daß der Reiz, es zu tun, größer ist, als der Reiz, in der
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