High Fidelity (German Edition)
selten tut.
»Weißt du, mit Ray …«
»Oh, Rob, nicht das schon wieder.«
»Nein, nein. Nicht wegen … nimmst du noch die Pille?«
»Natürlich. Brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
»Das meinte ich nicht. Ich meinte … hast du sonst nichts benutzt?«
Sie sagt nichts, und dann fängt sie an zu weinen.
»Hör mal, wir können andere Sachen machen«, sage ich. »Oder wir fahren in die Stadt und besorgen was.«
»Ich weine nicht, weil wir es nicht machen können«, sagt sie. »Das ist es nicht. Nur daß … ich habe mit dir zusammengelebt. Bis vor ein paar Wochen warst du mein Partner. Und jetzt hast du Angst, ich könnte dich umbringen, und hast jedes Recht dazu. Ist das nicht entsetzlich? Ist das nicht traurig?« Sie schüttelt den Kopf und schluchzt und steigt von mir runter, und dann sitzen wir Seite an Seite auf dem Rücksitz, ohne etwas zu sagen, und sehen nur zu, wie die Tropfen die Scheibe hinunterlaufen.
Später frage ich mich, ob ich wirklich besorgt wegen Rays Vorleben war. Ist er bisexuell, oder spritzt er sich Drogen? Ich bezweifle es. Für beides fehlt ihm der Mumm. Hat er mal mit jemand geschlafen, der Drogen spritzt, oder mit jemand, der schon mal mit einem bisexuellen Mann geschlafen hat? Ich weiß es nicht, und diese Unkenntnis gibt mir jedes Recht, auf Schutz zu bestehen. Aber in Wahrheit ging es mir mehr ums Symbolische als um meine Befürchtungen. Ich wollte sie verletzen, ausgerechnet an einem solchen Tag, einzig und allein, weil ich zum erstenmal, seit sie mich verlassen hat, die Möglichkeit dazu hatte.
Wir fahren zu einem Pub, einem pittoresken kleinen, auf ländlich getrimmten Laden, der gepflegtes Bier und teure Sandwiches anbietet, setzen uns in eine Ecke und reden. Ich kaufe mir neue Zigaretten, und sie raucht die Hälfte davon, oder vielmehr, zündet sich eine an, macht ein oder zwei Züge, verzieht das Gesicht, drückt sie aus und nimmt sich dann fünf Minuten später die nächste. Sie drückt sie so brutal aus, daß sie nicht mehr zu retten sind, und wenn sie es tut, kann ich mich nicht auf das konzentrieren, was sie sagt, weil ich zu beschäftigt damit bin, meine Zigaretten dahinschwinden zu sehen. Schließlich bemerkt sie es und sagt, sie würde mir neue kaufen, und ich komme mir mies vor.
Wir sprechen hauptsächlich über ihren Dad, eigentlich darüber, wie das Leben ohne ihn aussehen wird. Und dann sprechen wir darüber, wie das Leben allgemein ohne Dads aussehen wird, und ob das die Sache ist, die einem das Gefühl gibt, endlich erwachsen zu sein. (Laura bezweifelt es, nach der bisherigen Erfahrung.) Ich will natürlich nicht über diesen Kram reden: Ich will über Ray und mich reden, und darüber, ob wir uns je wieder so nahe kommen werden, Sex zu haben, und ob die Wärme und Intimität dieser Unterhaltung irgendwas zu bedeuten haben, aber es gelingt mir, mich zu zügeln.
Und dann, gerade, als ich mich damit abzufinden beginne, daß nichts hiervon sich um mich, mich, mich drehen wird, seufzt sie, läßt sich in ihren Stuhl zurückfallen, und sagt halb lächelnd, halb verzweifelt: »Ich bin zu müde, um nicht mit dir zusammenzusein.«
Damit haben wir eine doppelte Verneinung – »zu müde« ist negativ, weil es nicht besonders positiv ist – und ich brauche eine Weile, um darauf zu kommen, was sie meint.
»Also, Moment mal: Wenn du etwas mehr Energie hättest, würden wir getrennt bleiben. Aber da du die nicht hast, sondern völlig im Eimer bist, möchtest du, daß wir wieder zusammen sind.«
Sie nickt. »Es ist alles zu hart. Zu einer anderen Zeit hätte ich vielleicht den Mumm gehabt, alleine zurechtzukommen, aber jetzt habe ich ihn nicht.«
»Was ist mit Ray?«
»Ray ist eine Katastrophe. Ich weiß ehrlich nicht, was das alles sollte, außer, daß manchmal jemand nötig ist, der wie eine Handgranate mitten in eine verkorkste Beziehung platzt und sie sprengt.«
Ich würde gerne näher darauf eingehen, inwiefern Ray eine Katastrophe ist; eigentlich möchte ich eine Liste auf der Rückseite eines Bierdeckels anlegen und sie auf ewig mit mir rumtragen. Vielleicht ein andermal.
»Und jetzt, nachdem du aus der verkorksten Beziehung raus bist und sie gesprengt hast, willst du wieder rein und sie zusammenflicken?«
»Ja. Ich weiß, das ist alles nicht sehr romantisch, und in einem späteren Stadium wird es romantischere Momente geben, da bin ich sicher. Aber ich muß mit jemand zusammensein, und zwar mit jemandem, den ich kenne und mit dem ich gut auskomme,
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