High Fidelity (German Edition)
konnten uns über Paul und Miranda nie einig werden. Nicht, daß ich je einen von ihnen kennengelernt hätte. Laura und Paul fingen etwa um dieselbe Zeit in der Anwaltskanzlei an, und sie verstanden sich gut, also weigerte ich mich hinzugehen, als sie und ich zu ihm eingeladen wurden. Mir gefiel nicht, was ich von ihm hörte, und noch weniger Lauras Begeisterung für ihn, obwohl ich, als ich hörte, daß es eine Miranda gibt, wußte, daß ich mich dumm anstellte, also dachte ich mir alles mögliche andere aus. Ich sagte, er höre sich nach einem typischen Vertreter der Sorte Leute an, die sie nun dauernd treffen würde, nachdem sie diesen todschicken neuen Job hätte, und ich sei abgemeldet, und sie wurde sauer, also setzte ich noch einen drauf und schickte jedesmal »dieser« und »Wichser« vorweg, ehe ich seinen Namen nannte, und versah ihn mit einer affektierten Stimme und einem ganzen Sortiment von Interessen und Verhaltensweisen, die er wahrscheinlich gar nicht hat, und dann wurde Laura richtig sauer und ging alleine. Und nachdem ich ihn so oft als Wichser tituliert hatte, hatte ich das Gefühl, Paul und ich hätten auf dem falschen Fuß angefangen, und als Laura sie zu uns einlud, ging ich bis zwei Uhr morgens aus, nur um sicherzugehen, daß ich ihnen nicht in die Arme laufen würde, obwohl sie ein Kind haben und ich wußte, daß sie um halb elf gehen mußten. Also wußte ich, als Laura sagte, wir seien wieder eingeladen, daß es eine große Sache war, nicht nur, weil sie bereit war, mir noch eine Chance zu geben, sondern weil es bedeutete, daß sie irgendwas darüber gesagt hatte, daß wir wieder zusammenleben, und was sie gesagt hatte, konnte nicht ganz schlecht gewesen sein.
Als wir vor ihrer Haustür stehen (nichts Umwerfendes, Reihenhaus, drei Zimmer, KDB, in Kensal Green), fummele ich an der Knopfleiste meiner 501 herum, eine nervöse Angewohnheit, die Laura energisch mißbilligt, aus vielleicht verständlichen Gründen. Aber heute abend sieht sie mich an, drückt schnell meine Hand (die andere, die nicht aufgeregt zwischen meinen Beinen herumgrabbelt), und ehe ich mich versehe, sind wir im Haus und mitten in einer aufgeregten Begrüßung mit Lächeln, Küssen und gegenseitiger Bekanntmachung.
Paul ist groß und gutaussehend, mit langem (untrendy, Keine-Zeit-zum-Schneiden, computerfreaklang, im Gegensatz zu friseurmäßig lang) dunklem Haar und einem eher Vier-als Dreitagebart. Er trägt eine alte braune Cordhose und ein Body-Shop-T-Shirt, auf dem etwas Grünes abgebildet ist, eine Eidechse oder ein Baum oder ein Gemüse oder so was. Ich wünschte, mir stünden ein paar Hosenknöpfe offen, damit ich mir nicht overdressed vorkommen muß. Miranda trägt, wie Laura, einen weiten Pullover und Leggings und eine ziemlich coole, runde Brille, und sie ist blond und rund und hübsch, nicht ganz so rund wie Dawn French › Anmerkung , aber rund genug, daß es einem sofort auffällt. Somit schüchtern mich weder die Kleidung noch das Haus oder die Leute ein, und überhaupt sind die Leute so nett zu mir, daß ich für einen Moment schwach werde: Es ist selbst für den Unsichersten nicht zu übersehen, daß Paul und Miranda froh sind, daß ich hier bin, entweder, weil sie beschlossen haben, ich sei ein Glücksfall, oder weil Laura ihnen erzählt hat, sie sei glücklich, so wie es ist (und falls ich es falsch verstanden habe und sie nur schauspielern, wen kümmert's, wenn die Schauspieler so gut sind?).
Hier gibt es kein sog. Wie-würdest-du-deinen-Hund-nennen-Spielchen, zum Teil, weil jeder weiß, was der andere macht (Miranda ist Englischdozentin an einem FE-College), und teils, weil der Abend nicht eine Minute lang danach ist. Sie fragen nach Lauras Dad, und Laura erzählt ihnen von der Beisetzung, wenigstens einiges davon, und auch einiges, was ich nicht wußte – zum Beispiel sagt sie, ehe der ganze Schmerz und die Trauer und alles sie überwältigt hätten, habe sie kurz ein kleines Prickeln empfunden – »So was wie, mein Gott, das ist das Erwachsenste, was mir je zugestoßen ist.«
Und Miranda redet ein bißchen über den Tod ihrer Mutter, und Paul und ich stellen Fragen dazu, und dann kommen wir von da auf Lebensziele, und was wir wollen, und womit wir nicht ganz glücklich sind, und … ich weiß nicht. Es klingt dumm, das zu sagen, aber trotz all dem, worüber wir reden, fühle ich mich wohl, ich fühle mich wirklich wohl – ich habe vor niemandem Angst, und die Leute nehmen alles ernst, was ich
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