High Fidelity (German Edition)
sage, und ich erwische Laura gelegentlich dabei, mich wohlwollend anzulächeln, was die Moral hebt. Es ist nicht, als würde irgendwer eine einzige Sache sagen, die denkwürdig oder klug oder treffsicher ist, es ist mehr eine Stimmungsfrage. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, eher in einer Episode von Unsere besten Jahre zu sein als in einer Episode von … von … einer Sitcom, die erst noch gedreht werden muß, über drei Typen, die in einem Plattenladen arbeiten und den ganzen Tag über Sandwichbeläge und Saxophonsoli reden, und es gefällt mir. Ja, ich weiß, Unsere besten Jahre ist kitschig und klischeehaft und amerikanisch platt, ich seh's ein. Aber wenn man in einer Einzimmerwohnung in Crouch End hockt und sein Geschäft pleite gehen und seine Freundin mit dem Kerl aus der Wohnung obendrüber abhauen sieht, erscheint einem eine Rolle in einer Real-Life-Episode von Unsere besten Jahre , mit allen Kindern und Ehen und Jobs und Grillfesten und k. d.-lang-CDs, die sich damit verbinden, als das höchste der Gefühle.
Das erstemal verliebt war ich vier oder fünf Jahre vor Alison Ashworth. Wir waren in Ferien in Cornwall, und am Frühstückstisch neben uns saß ein Pärchen in den Flitterwochen, und wir kamen mit ihnen ins Gespräch, und ich verliebte mich in beide. Es war nicht einer von beiden, es war das Gespann. (Und wenn ich mich recht erinnere, waren es vielleicht ebenso diese beiden wie Dusty Springfield, von denen ich meine unrealistischen Erwartungen an Beziehungen habe.) Ich glaube, daß jeder von beiden, wie es Frischverheiratete manchmal tun, zu zeigen versuchte, daß sie wunderbar mit Kindern umgehen, daß er einen wunderbaren Dad und sie eine phantastische Mum abgeben würde, und ich hatte den Nutzen davon: Sie nahmen mich mit zum Schwimmen und Muscheln sammeln, und sie kauften mir Sky Rays › Anmerkung , und als sie abreisten, brach mir das Herz.
So ähnlich ist es heute abend mit Paul und Miranda. Ich verliebe mich in sie beide – in das, was sie haben, wie sie miteinander umgehen und wie sie mir das Gefühl geben, ich sei der Mittelpunkt ihrer Welt. Ich finde sie wunderbar, und ich will sie für den Rest meines Lebens zweimal die Woche sehen.
Erst ganz am Schluß des Abends wird mir klar, daß ich reingelegt worden bin. Miranda ist oben bei ihrem Kleinen, Paul ist nachsehen gegangen, ob in irgendeiner Schrankecke noch klebrige Ferienschnäpse verstauben, mit denen wir das sanfte Holzkohleglimmen in unseren Mägen anfeuern können.
»Geh dir ihre Platten ansehen«, sagt Laura.
»Das muß ich nicht. Ich werde es überleben, ausnahmsweise nicht meine Nase in anderer Leute Plattensammlungen zu stecken, weißt du.«
»Bitte. Ich möchte es.«
Also schlendere ich ans Regal und wende kurz meinen Kopf und sehe nach, und wie erwartet ist es ein Katastrophenschauplatz, eine CD-Sammlung der Sorte, die so scheußlich giftig ist, daß man sie in ein Stahlfaß einschweißen und auf eine Giftmülldeponie in der Dritten Welt verschiffen sollte. Sie sind alle beisammen: Tina Turner, Billy Joel, Kate Bush, Pink Floyd, Simply Red, die Beatles, natürlich, Mike Oldfield (Tubular Bells I und II) , Meat Loaf … mir bleibt nicht viel Zeit, die Platten durchzusehen, aber ich sehe einige Eagles-Platten und erhasche einen Blick auf etwas, das verdächtig nach einem Barbara-Dickson-Album aussieht.
Paul kommt zurück ins Zimmer.
»Ich glaube nicht, daß viele davon Gnade vor deinen Augen finden, was?«
»Oh, ich weiß nicht. Waren schon eine gute Band, die Beatles.«
Er lacht. »Wir sind nicht besonders auf dem laufenden, fürchte ich. Wir werden mal in den Laden kommen müssen, dann kannst du unser Wissen auffrischen.«
»Jeder nach seiner Fasson, sage ich immer.«
Laura sieht mich an. »Das habe ich dich noch nie sagen hören. Ich dachte, ›jeder nach seiner Fasson‹ sei die Art von Maxime, für die man in der schönen neuen Flemingwelt aufgehängt würde.«
Mir gelingt ein gequältes Lächeln, und ich halte meinen Cognacschwenker hin, um mir antiken Drambuie aus einer klebrigen Flasche einschenken zu lassen.
»Das hast du mit Absicht gemacht«, sage ich auf dem Heimweg. »Du wußtest die ganze Zeit, daß ich sie mögen würde. Es war ein Trick.«
»Ja. Ich habe dich heimtückisch dazu gebracht, Leute kennenzulernen, die du reizend fandest. Ich habe dir einen netten Abend aufgeschwatzt.«
»Du weißt, was ich meine.«
»Jeder muß ab und zu an seinem Glauben zweifeln. Ich dachte,
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