High Fidelity (German Edition)
kommt das, was meinst du?«
»Moment. Ich will dir das ordentlich erklären. Okay. Ich dachte, unsere Beziehung hinge nur an einem seidenen Faden, und den müßte ich durchschneiden und das wär's. Also hab' ich ihn durchgeschnitten, aber das war es nicht. Es gab nicht nur diesen einen Faden, sondern Hunderte, Tausende, überall, wo ich hinging – daß Jo so still wurde, als ich ihr sagte, wir hätten uns getrennt, und daß ich mich an deinem Geburtstag komisch fühlte, und daß ich mich komisch fühlte … nein, nicht während dem Sex mit Ray, aber hinterher, und daß mir ganz schlecht wurde, als ich eine von deinen Kassetten spielte, die in meinem Auto lag, und daß ich mir ständig Gedanken machte, wie es dir geht … Millionen von Dingen. Und dann machte es dir mehr aus, als ich gedacht hatte, und das machte es noch schwerer … und dann der Tag bei der Beerdigung … ich war diejenige, die dich dabeihaben wollte, nicht Mum. Ich meine, sie war ziemlich erfreut, glaube ich, aber es kam mir nie in den Sinn, Ray einzuladen, und ab da fühlte ich mich erschöpft. Ich war nicht auf soviel Arbeit vorbereitet. Das war es nicht wert, nur um dich loszuwerden.« Sie lacht ein wenig.
»Das ist die nette Art, es zu sagen?«
»Du weißt doch, daß ich für Kitsch keine Begabung habe.« Sie küßt mich auf die Schulter.
Vernommen? Sie hat für Kitsch keine Begabung. Auch das ist für mich ein Problem, wie es das für jedes männliche Wesen wäre, das in eindrucksfähigem Alter »The Look of Love« von Dusty Springfield gehört hat. So, habe ich mir vorgestellt, würde das alles sein, wenn ich verheiratet wäre (»verheiratet« nannte ich es damals – heute nenne ich es »etwas Festes« oder »zusammensein«). Ich dachte, da wäre dann eine sexy Frau mit sexy Stimme und dickem sexy Augen-Make-up, der die Hingabe an mich aus allen Poren quillt. Und tatsächlich, es gibt etwas wie den Blick der Liebe – Dusty hat uns nicht völlig aufs Glatteis geführt –, nur ist dieser Blick der Liebe nicht ganz so, wie ich ihn erwartet hatte. Er kommt nicht aus vor Sehnsucht schier übergehenden großen Augen irgendwo in der Mitte eines riesigen Doppelbetts mit einladend heruntergeschobenen Laken. Es ist eher der Blick wohlwollender Nachsicht, mit dem eine Mutter ihr Baby betrachtet oder ein Blick amüsierten Zorns, selbst ein Blick gequälten Mitgefühls. Aber der Dusty-Springfield-Liebesblick? Vergeßt es. Genauso ein Mythos wie exotische Unterwäsche.
Frauen verstehen alles falsch, wenn sie sich über das Frauenbild in den Medien beklagen. Männer verstehen, daß nicht jede die Brüste von Bardot, den Nacken von Jamie Lee Curtis oder den Hintern von Felicity Kendall › Anmerkung hat, und es macht uns nicht das geringste aus. Natürlich würden wir Kim Basinger Hattie Jacques vorziehen, genau wie Frauen Keanu Reeves › Anmerkung Bernard Manning › Anmerkung vorziehen würden, aber wichtig dabei ist nicht der Körper, sondern der Demütigungsgrad. Wir sind sehr schnell dahintergekommen, daß Bond-Girls eine Klasse zu hoch für uns sind, aber die Erkenntnis, daß Frauen uns niemals so ansehen werden wie Ursula Andress Sean Connery ansah oder wenigstens so, wie Doris Day Rock Hudson ansah, dämmerte den meisten von uns sehr viel später. In meinem Fall bin ich mir nicht sicher, ob überhaupt.
Ich gewöhne mich langsam an die Vorstellung, Laura könnte der Mensch sein, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringe, glaube ich (wenigstens gewöhne ich mich langsam an die Idee, daß ich mich ohne sie so elend fühle, daß es nicht wert ist, sich über Alternativen Gedanken zu machen). Aber viel härter ist es, sich an die Vorstellung zu gewöhnen, daß mein Kleinjungenbegriff von Romantik, von Negligés und Dinners zu Hause bei Kerzenschein und langen, glühenden Blicken keinerlei Basis in der Realität hat. Das ist es, worüber sich Frauen ereifern sollten; das ist der Grund, warum wir in einer Beziehung nicht richtig funktionieren. Es liegt nicht an der Zellulitis oder den Krähenfüßen. Es ist der … der … Mangel an Respekt .
N ach etwa zwei Wochen, nach viel Gerede und viel Sex und einem erträglichen Maß an Zankereien, gehen wir zum Abendessen zu Lauras Freunden Paul und Miranda. Das mag für euch nicht gerade aufregend klingen, aber für mich ist es eine wirklich große Sache: Es ist ein Vertrauensbeweis, eine Bekräftigung, ein Zeichen an die Welt, daß ich es wenigstens noch ein paar Monate machen werde. Laura und ich
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