High - Genial unterwegs an Berg und Fels
Wettkampf verwendeten wir dafür, uns nach einer phänomenalen Abschlussparty richtig auszuschlafen.
Kein Problem, draußen regnete es.
Am nächsten Tag regnete es noch immer.
Aber tags darauf schlug das Wetter um, es wurde schön, und wir nahmen die Zahnradbahn nach Montenvers, um von dort zu unserem Biwakplatz zu gehen. Der Wetterdienst sagte für den ganzen Tag stabiles Schönwetter voraus. Erst zwei Tage später war eine Schlechtwetterfront angekündigt.
Unser Plan war: zur Wand zusteigen, biwakieren, Gepäck unten liegen lassen, damit wir nicht mit dem Riesenrucksack durch die Wand müssen, Wand erledigen, biwakieren, hinten runtergehen, Gepäck holen, zurück nach Montenvers, runter nach Chamonix, basta.
Tatsächlich fanden wir ein supernettes Biwak nahe der Wand, lagen in den Schlafsäcken, kochten uns eine Travellunch-Mahlzeit, die uns satt und zufrieden machte, und schliefen entspannt und gut.
Am nächsten Morgen stiegen wir mit den Steigeisen über ein Schneefeld bis zur Wand. Suchten nach der richtigen Einstiegsstelle, die auf unserem Topo nicht besonders gut beschrieben war, und verkletterten uns prompt. Die erste Seillänge passte noch gut, bei der zweiten wussten wir plötzlich nicht mehr, wo wir waren, und die dritte war schon richtig kritisch – eine Plattenstelle, vielleicht im Schwierigkeitsgrad 8–, wo man nicht fliegen durfte. Plötzlich war ich aber wieder in der Tour drinnen, und von da an kamen wir superschnell voran.
Die Tour auf die Petit Dru hat einen speziellen Punkt beim sogenannten »Klemmblock«. Es heißt, dass man hier noch gut umdrehen kann, aber später nicht mehr. Die meisten Seilschaften klettern nicht weiter als bis hierher, weil die Route »American Direct« von einem gewaltigen Bergsturz betroffen war. Aber wir wollten nicht umdrehen, waren gut in der Zeit, kletterten weiter und wechselten die Spur mit einem weiten Seilpendler nach rechts, mit dem wir eine spiegelglatte Platte überquerten. Die Platte wäre bestimmt auch frei zu klettern, aber der Pendler war die klassische Variante, und das hatte, fanden wir, auch Stil. Jetzt stieg ich zwei Längen in einem durch voran, und dann übernahm Jorg.
Ich stand unter einem kleinen Dach und konnte ihn nicht sehen. Ich dachte mir bloß, warum er nicht endlich Stand macht. Es dauerte und dauerte, dann kam endlich der Ruf von oben.
»Stand, Fuzzy«.
Ich kletterte nach.
Als ich neben ihm stand, sagte Jorg: »Ich weiß ja nicht, ob das gescheit ist, wenn wir weitergehen.«
Mit dem Kinn deutete er auf die Narbe des gewaltigen Abbruchs von 1997, der einen guten Teil der Westwand mit der klassischen Route von Walter Bonatti ausradiert hatte.
Ich kontrollierte das Terrain mit den Augen. Es schaute nicht gerade gut aus, aber ich hatte keine Lust, umzudrehen. Außerdem wäre das Umdrehen ein Krampf gewesen.
»Ich probier’s«, sagte ich, dann war ich schon im Fels, was heißt Fels: es war Kies, der in einer Art Lehm steckte, lose und porös. Es war steil, und es gab beim besten Willen nichts, wo ich mich hätte sichern können. Aber ich kletterte über die Stelle drüber, machte Stand und sicherte Jorg nach. Jorg wollte die nächste Seillänge vorsteigen, drehte aber nach fünf Metern um, weil ihm die Sache zu heikel wurde. Es war eine Platte, vielleicht im Schwierigkeitsgrad 8 –, die ich mir zutraute und durchstieg, dann war ich wieder in der alten Tour, die keine Probleme machte.
Zwischendurch hörten wir wieder das vertraute Geräusch: Hubhubhubhub. Helikopterrotoren. Jemand musste uns beobachtet und die Bergrettung alarmiert haben. Linker Arm nach unten, rechter nach oben. Bon soir.
Etwa um neun Uhr abends waren wir auf dem Gipfel. Unser Plan: ein Biwak aufschlagen, uns für die zum Teil grausliche Kletterei mit einem Sonnenaufgang belohnen, anschließend absteigen und von unten zuschauen, wie zu Mittag das angekündigte Schlechtwetter ankommt.
Die Wand, die wir geklettert waren, schaute nach Westen, im Gipfelbereich dreht sie nach Norden. Wir wussten, dass der Abstieg etwa einen halben Tag dauert und sauschwer zu finden ist.
Der Blick vom Gipfel war genial. Es war noch hell, aber das Licht wurde schon weich und zeichnete die Konturen der Gipfel blau und gelb. Was wir im Südosten sahen, war freilich alles andere als romantisch: Wolken. Riesige, schwarzgelbe Cumulonimbus. Gewitterwolken.
Als wir gerade begannen, trotzdem nach einer Biwakstelle zu suchen, piepste mein Telefon, das hier, weiß Gott warum, Empfang
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