High - Genial unterwegs an Berg und Fels
stammenden Russin verheiratet, und er kennt die Gegend und die Berge gut. Er hatte die Idee, dass wir auf dem Mammut-Teamtrip den Spuren Saladins folgen könnten, um in Kirgistan auf großartigen Granitwänden Erstbegehungen durchzuführen oder bereits bestehende Routen zum ersten Mal frei zu klettern. Oder was auch immer.
Ich kam direkt von Chamonix nach Zürich, mir saß noch die Kälte der Petit Dru im Genick. Aber es dauerte nicht lange, dann war sie nur noch eine Erinnerung, und zwar eine durchaus angenehme. Wir flogen nach Moskau, von dort nahmen wir – wie seinerzeit Lorenz Saladin – den Zug und fuhren 3700 Kilometer weit nach Bischkek, der Hauptstadt von Kirgistan. Drei Tage und drei Nächte lang. Die Expedition bestand aus Nina Caprez, einer Schweizer Kletterin, Stef Siegrist, einem Kollegen, ebenfalls aus der Schweiz, der viele bewundernswerte Touren hinter sich hat, Giovanni Quirici, einem Tessiner Bergsteiger mit Neigung zur Philosophie, dem Fotografen Rainer Eder, dem Kameramann Christoph Frutiger, dessen Frau und zwei Kindern, Robert Steiner und mir.
Wir waren zu viert im Abteil. Draußen hatte es deutlich über 40 Grad, und der Zug hatte natürlich keine Klimaanlage. Die Sitzbänke, auf denen wir schliefen, waren ziemlich klein, und wenn sie für mich ziemlich klein sind, dann sind sie in Wahrheit sehr, sehr klein. Kein Problem für mich, aber definitiv ein Problem für Rainer Eder. Rainer ist fast zwei Meter groß. Jedes Taxi ist schon zu klein für ihn, und kleine Sitzbänke sind sehr viel zu klein für ihn.
Rainer beschwerte sich in seinem merkwürdigen Osttiroler Schweizerdeutsch, das er sich angewöhnt hatte, seit er von Lienz nach Baar am Zuger See übersiedelt war. Er ist ein Long Time Companion. Er machte die ersten Fotos von mir schon 2002 in Arco, als er mich als Elfjährigen fotografierte. Seither war er auf vielen Trips und Reisen mit von der Partie. In Malaysia, Yosemite, Rumney und so weiter. Er ist selbst kein schlechter Kletterer, und er hat echtes Talent, seine Umgebung zum Lachen zu bringen. Zum Beispiel jetzt, wenn er versuchte, sich auf seinem Bett auszustrecken.
Draußen Birkenwälder, endlos, kleine Häuser, Seen, Weizenfelder.
Die kasachische Steppe, Stunde um Stunde.
Stef fuchtelte dauernd mit der Speisekarte eines Eissalons aus Interlaken herum und rief: »Ich nehme zwei Kugeln Haselnuss.«
Aber es gab kein Eis, es gab auch kein fließendes Wasser.
Wir hatten Chai, also Tee. Wir tranken Chai, Chai und Chai. Irgendwann kam uns der Chai zu den Ohren raus, dann hofften wir, dass bald die nächste Station kommt. An den Stationen warteten immer Verkäufer auf dem Bahnsteig, die Wasser, Bier und Sirup verkauften, und das Beste an diesen Getränken war – die Kälte. Überall gab es frisches Weißbrot, das in sehr einfachen Öfen gemacht wird. Unten brennt Feuer oder Glut, der feuchte Teigfladen wird in den Ofen geschoben und dort an die Wand geklebt, und wenn das Brot bis zum Ende kleben bleibt, ist es gut, wenn es vorzeitig in die Glut fällt, war es schlecht. Grausame Auslese – und super Brot. Fantastisches Brot. Wir aßen sehr viel Brot und tranken sehr viel Chai auf dieser Fahrt.
Jeder Waggon hatte Waggonbegleiter. Unser Waggon hatte Michail und Olga, seine Frau. Olga hieß zwar nicht Olga, aber wir nannten sie so, denn sie sah aus wie eine russische Matrone, sie hatte ungefähr den fünffachen Umfang von mir. Okay, Michail war auch nicht schmal. Zusammen gaben die beiden ein eindrucksvolles Paar ab.
Sie war die Chefin. Er machte, was sie anschaffte. Still waren die beiden nur, wenn ein Grenzübertritt bevorstand. Der Zug fährt von Russland durch Kasachstan nach Kirgistan, es gab also zwei Zollkontrollen von Männern in Uniformen, die durch die Waggons gingen und die reisenden Kirgisen, Tadschiken und Kasachen auseinandernahmen – uns ließen sie in Ruhe, auch wenn wir eine Menge Ausrüstung dabei hatten, Kletterzeug, Filmkameras, was weiß ich.
An der russisch-kasachischen Grenze kamen die Zollbeamten in unser Abteil, schauten sich um, kontrollierten aber nur unsere Pässe und kümmerten sich überhaupt nicht um unser Gepäck. An der Grenze zwischen Kasachstan und Kirgistan steuerten die uniformierten Zollwächter unser Abteil direkt an, schnappten sich einen Schraubenzieher und entfernten eine Platte an der Decke des Abteils. Dahinter kam eine Batterie schwarzer Säcke zum Vorschein.
Oho. Aber statt jetzt ein Riesentheater abzuziehen, schraubten sie die
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