High - Genial unterwegs an Berg und Fels
viel zu grob. Wir gaben sofort auf. Neuer Plan: Wir gehen auf irgendeinen Berg. Wir lenkten unseren kleinen 4-Wheel-Drive auf die Zufahrtsstraße – Straße ist eine schamlose Übertreibung. Es war eine Piste aus Dreck mit tiefen Wasserlöchern. Das Auto schaukelte wie ein Besoffener. Im Grün des Dschungels verloren wir augenblicklich die Orientierung.
»Rechts«, sagte ich, als ich einen Weg sah, der offensichtlich nach oben führte, und Jorg lenkte nach rechts. Kaum zu glauben, dass es Straßen gab, die noch schlechter waren als die, auf der wir bis hierher gekommen waren. Wenigstens ging es jetzt ohne Zweifel nach oben. Binnen weniger hundert Meter war der Weg so steil, dass wir beide uns nach vorn zur Windschutzscheibe lehnten, um dem Auto zu helfen, nicht nach hinten umzukippen. Der 4-Wheel-Drive keuchte. Irgendetwas an der Hinterachse begann zu scheppern. Wir hielten an und sahen, dass die Stoßstange sich gelöst hatte und nach unten hing. Wir gaben der Stoßstange den Gnadentritt und befreiten sie von ihrer Qual. Dann fuhren wir weiter, bis wir endlich an einer Weggabelung ankamen, von der zwei Wege weiterführten, die unser Wagen beim besten Willen nicht mehr schaffte.
Also zu Fuß weiter. Borneo hat die größte Vielfalt an Pflanzen und Tieren auf der ganzen Welt, das fiel uns jetzt ein: hinter dem dichten, feuchten Vorhang aus Grün witterten wir Schlangen, Skorpione und noch nicht entdeckte, saugefährliche Killerinsekten, biologische Sensationen, die, nachdem sie uns totgestochen hatten, unsere Namen tragen würden.
David-Lama-Riesenspinne.
Jorg-Verhoeven-Mörderassel.
Wir schlugen also ein ziemlich panisches Tempo an. Es war heiß, feucht, und im Dschungel knisterte und ra schelte es. Jorg lächelte zwar ein bisschen über meine Schlangenphobie, aber wenn sich direkt neben seinem Fuß etwas bewegte, hüpfte auch er wie eine Springfeder in die Höhe.
Wir trollten uns zurück zum Auto und drehten es auf etwa vier Quadratmetern um. Dann kugelten wir die bizarren Wege hinunter, zurück auf die Straße, ohne Stoßstange, und gerade als wir uns wieder sicher fühlten, weil wir mit ruhigem Motorengeräusch auf einer einwandfrei asphaltierten Straße Richtung Strand cruisten, ging uns das Benzin aus. Zehn Kilometer Fußmarsch in der prallen Sonne bis zur nächsten Tankstelle.
Nur, falls sich jemand fragt: Autostopper haben es in Borneo nicht leicht.
Sechsundzwanzig
Es war gut, dass ich mich in Borneo noch ein paar Tage an den Strand gelegt hatte, denn das Cerro-Torre-Projekt nahm mich zu Hause sofort wieder voll in Beschlag. Am Anfang hatte nur mein ganz persönlicher Wunsch gestanden, den Berg im Freikletterstil zu besteigen. Dann hatte ich Daniel ins Boot geholt, und für eine Zeit lang gehörte die verführerische Vorstellung, den Berg zu machen, nur uns beiden allein.
Als die Fragen der Finanzierung und der Dokumentation auftauchten, war ich froh, Partner an meiner Seite zu haben, die ein Ohr für meine Visionen und Träume haben. Vor allem Red Bull zeigte sich begeistert von dem Projekt. Es gab ein paar Meetings und Diskussionen, welchen Aufwand eine gute Dokumentation braucht, und schließlich wurde ein Team von Begleitern zusammengestellt. Kameraleute, Bergführer, die diese Kameraleute in Position bringen konnten, damit sie uns in jeder Phase der Expedition filmen konnten, und ein Fotograf.
Dokumentation ist ein Teil des Profikletterns. Das war nie anders. Früher schossen die Kletterer ihre Bilder selbst und zogen mit Diavorträgen durch die großen Säle, um von ihren Abenteuern zu berichten. Manche schrieben packende Bücher, manche gaben ausführliche Interviews.
Als wir darüber nachdachten, wie das Projekt dokumentiert werden könnte, stellte sich nur die Frage, ob Ja oder Nein. Wenn Ja, dann sollte die Dokumentation etwas Gescheites werden, denn das Projekt hatte Potenzial. Davon waren wir überzeugt. Red Bull engagierte als Regisseur Thomy Dirnhofer, einen erfahrenen Filmemacher und ehemaligen Kletterer, und Heli Putz, der für die Sicherheit am Berg garantieren sollte.
Red Bull hat im Dokumentieren von Extremsport arten enorme Erfahrung. Ich freute mich natürlich darüber, welchen Stellenwert sie meinem Projekt beimaßen. Wir redeten über Möglichkeiten, alles nah und real zu dokumentieren, von der Ankunft in El Chalten bis hin zum Durchstieg auf den Gipfel.
Für uns war klar, dass die Anwesenheit der Dokumentations-Crew an der Art und Weise, wie wir gehen, planen und vor
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