High Heels im Hühnerstall
jetzt?«
»Wir sind auf dem Schulhof, hinter dem Fahrradständer – es ist Mittagessenszeit«, erklärte ihr Bella ein wenig gereizt, weil dieser ganze Smalltalk sie langweilte.
»Und, geht es euch gut?«, fragte Sophie.
»Uns geht es nicht schlecht«, antwortete Bella. »Daddy scheint die meiste Zeit sauer zu sein, wir hatten seit einer Ewigkeit keinen Coco-Pop-Morgen mehr. Und diese Wendy-Frau kommt immer wieder vorbei. Sie reden immer so, dass wir es nicht hören können, aber ich weiß, dass sie über Seth sprechen, wer ist Seth?«
»Er ist Wendys Sohn«, sagte Sophie ängstlich, sie hasste es, den Kindern Halbwahrheiten aufzutischen, aber Louis zwang sie quasi dazu, wenn auch unwissentlich.
»Na ja, ich weiß nicht, warum sich Daddy solche Sorgen um ihn macht. Ich vermisse dich jedenfalls sehr.«
»Und ich dich auch!«, hörte Sophie Izzy im Hintergrund sagen.
»Ich vermisse euch beide auch«, versicherte ihnen Sophie. »Ganz ehrlich. Aber ihr wisst, dass Daddy sich Sorgen machen wird, wenn er feststellt, dass sein Handy weg ist, schließlich braucht er es für die Arbeit.«
»Aber er geht diese Woche nicht zur Arbeit«, erklärte ihr Bella. »Er hat ganz aufgehört zu arbeiten, um dieser Wendy-Frau bei der Suche nach dem Seth zu helfen.«
»Tatsächlich?«, fragte Sophie verdutzt. Sie hatte nicht erwartet, dass Louis sein Leben in dem Augenblick, in dem sie nicht mehr vor Ort war, so radikal ändern würde. Was hatte das zu bedeuten, wenn er zu einem Zeitpunkt, an dem sein Geschäft noch so neu war und er sich erst einen Ruf erarbeiten musste, Aufträge ablehnte oder absagte? Bedeutete das, dass sie keine spürbare Lücke in seinem Leben hinterlassen hatte? Bedeutete es, dass er bereit war, alles, was er sich in den vergangenen Monaten aufgebaut hatte, für seinen Sohn, für Wendy aufzugeben?
»Wann kommst du wieder, Tante Sophie?« Es war Izzy, die jetzt sprach, nachdem sie ihrer Schwester endlich das Handy entrissen hatte.
»Na ja, nun … bald, denke ich«, antwortete Sophie und blickte auf ihre Uhr. Sie würde zu spät bei Cal erscheinen.
»Kommst du morgen?«, fragte Izzy. »Morgen ist bald.«
»Vielleicht nicht schon morgen«, sagte Sophie und spürte ein Engegefühl in der Brust. »Aber bald.«
»Versprichst du es?«, fragte Izzy feierlich.
»Ich verspreche, dass ich euch bald sehen werde«, antwortete Sophie, die es hasste, sich vage auszudrücken, aber sie wusste, dass zumindest für Izzy ein vages Versprechen ausreichen würde.
»He …!«, schrie Izzy aus Protest, als Bella wieder ans Handy kam.
»Wir müssen gehen, da drüben stehen Frauen von der Schulkantine«, zischte Bella.
»Ach … ja, aber Bella, hör zu – gib Daddy das Handy zurück, sobald du ihn siehst, ja? Ich möchte heute Abend mit ihm reden. Und versprich mir, dass du das Schulgelände nie verlässt, ohne dass ein Verwandter oder jemand, den du kennst, bei dir ist, okay?«
»Okay«, flüsterte Bella. »Muss jetzt auflegen. Roger, over and out.«
Als die Verbindung unterbrochen war, überlegte Sophie einen Augenblick und fühlte sich unbehaglich, weil Bella so große Anstrengungen unternommen hatte, um mit ihr sprechen zu können. Es war nichts wirklich Schlimmes passiert, aber trotzdem, wenn die Siebenjährige in Erwägung zog, sich vom Schulgelände zu stehlen, um Sophie anzurufen, was mochte sie erst alles unternehmen, wenn sie sich unter Druck gesetzt fühlte? Sie hatte jedenfalls Glück gehabt, dass sie sich das Handy ihres Dads »ausleihen« konnte. Und Sophie war auf Louis sauer, der doch wissen musste, dass sie, egal, wie viel Zeit sie zum Nachdenken brauchte, immer Zeit haben würde, um mit den Mädchen zu reden. Er war bockig und bestrafte sie dafür, dass sie weggegangen war, aber es waren die Kinder, die darunter litten. Sophie hätte ihn umgehend angerufen, wenn es möglich gewesen wäre, oder seine Festnetznummer gewählt, hätte sie nicht befürchtet, dass Wendy bei ihm war. Sie hätte ihm die Meinung gegeigt, ihm gesagt, was sie davon hielt, den Mädchen zu untersagen, mit ihr zu sprechen, dass er seine Arbeit vernachlässigte, um Wendy zu folgen, wohin sie ihn auch führte. Aber sie tat es nicht, und alles in allem war das wahrscheinlich gut so.
***
Sophie sah an dem Hochhaus hinauf, in dem McCarthy Hughes seinen Sitz hatte, und spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Es hatte mit ihrer Fahrt hierher zu tun, dem Rumpeln der U-Bahn auf dem Weg ins Zentrum der City, dem Geruch der feuchten
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