High Heels im Hühnerstall
sorgte, wie sie die Nachricht von seinem bevorstehenden Urlaub aufnehmen würde, und sie wollte sich gern schick machen; sie wollte sich herausputzen, weil er sich das offenbar wünschte, und das gab ihr das Gefühl, irgendwie sexy zu sein. Louis war wahrscheinlich der erste Mann in ihrer Bekanntschaft, der ihr das Gefühl vermittelte, sexy zu sein. Jake Flynn zum Beispiel, der Geschäftsmann aus New York, von dem sie sich etwa zur gleichen Zeit getrennt hatte, als Louis und die Mädchen in ihr Leben kamen. Jake sah sie an, und sie spürte sein Verlangen, aber aus irgendeinem Grund drang das nicht durch ihre Außenschicht hindurch – trotz seiner kantigen Kieferpartie, seiner starken Arme und makellosen Zähne. Sophie hatte lange Zeit geglaubt, ihre Unfähigkeit, Leidenschaft zu empfinden, müsse daran liegen, dass ihr irgendetwas fehlte, und dann, eines Abends, bei ihrem ersten Aufenthalt in der Pension Avalon, als sie sich noch kaum kannten, hatte Louis ihr einen Gutenachtkuss auf die Wange gedrückt. Es war nichts, seine Lippen berührten kaum ihre Haut, doch sie hatte nach dieser Berührung in dieser Nacht keinen Schlaf gefunden. Mit einem Mal hatte sie sich emotional erschreckend lebendig gefühlt.
»Sie hat gesagt, dass sie bereit ist, in meinem Haus zu übernachten, wenn es dir nichts ausmacht, die Pension um Mitternacht abzuschließen und dafür zu sorgen, dass Mrs Tregowan ihren Kakao bekommt. Nancy schließt dann morgen früh auf und bereitet das Frühstück zu«, erklärte Louis, während er seinen Blick auf das Meer hinaus schweifen ließ. »Ich dachte, ich könnte bei dir übernachten.«
»Bei mir übernachten?«, fragte Sophie.
Louis lachte. »Ja, ich begreife gar nicht, wieso wir nicht längst auf diese Idee gekommen sind; du musst dir keine Sorgen machen, dass die Mädchen ausflippen, und ich kann endlich mit dir zusammen aufwachen und sehen, ob es stimmt, dass du wie eine Prinzessin schläfst.« Er beugte sich ein Stück weiter zu ihr. »Und wir beide können verschlafenen Sex am frühen Morgen haben.« Louis bemerkte das Zögern in ihrem Gesichtsausdruck. »Komm schon, Sophie, erzähl mir nicht, du willst nicht, dass ich bei dir übernachte. So etwas machen richtige Paare nämlich, wie du weißt. Sie schlafen in der Nacht zusammen, und ich meine dabei wirklich schlafen, und zwar in einem Bett und so.«
»Ich weiß, ich weiß …« Sophie legte die Hand auf seine, weil sie sich plötzlich danach sehnte, seine warme Haut zu spüren. »Wir sind doch ein richtiges Paar, oder?«
»Mir war es in meinem ganzen Leben noch nie so ernst«, antwortete Louis, dessen Blick sich aufgrund der Verheißung aufhellte. »Die Mädchen sind ganz begeistert, sie rechnen damit, ein Mitternachtsmahl zu bekommen.«
»Das können sie getrost versuchen«, scherzte Sophie. »Aber ich glaube nicht, dass ihre Chancen groß sind. Der Dummkopf hüte sich, der es wagt, später als um sieben Uhr neunundfünfzig zum Frühstück herunterzukommen, ganz davon zu schweigen, dass er zu irgendeiner Tageszeit im Bett zu essen versucht. Mrs Alexander macht keine Kompromisse!«
»Dann hole ich dich also um acht Uhr ab«, erklärte Louis, und er sprach die Worte, die so ungewohnt waren, vorsichtig aus. »Wirst du bereit sein?«
»Ich werde so was von bereit sein«, antwortete Sophie.
»Ich liebe dich, Sophie Mills«, sagte Louis. Er musste ihr das schon viele Male gesagt haben, doch jedes Mal, wenn sie diese Worte hörte, konnte Sophie ihr Glück noch immer nicht recht fassen. Sie war zu glücklich, alles war zu vollkommen. Früher oder später musste etwas schiefgehen.
3
Es stellte sich heraus, dass Sophie bereits um sieben Uhr neunundzwanzig fertig war, deshalb ging sie hinunter, um sich zu Mrs Tregowan zu setzen, dem einzigen Gast, der den Gästeaufenthaltsraum jemals nutzte. Grace saß regelmäßig in dem großen Lehnstuhl mit Blümchenbezug vor dem Fernseher und verfolgte bis zu achtzehn Stunden am Tag das Programm eines Privatsenders. Die anderen Kanäle interessierten sie nicht. Auf den anderen Kanälen, so hatte sie Sophie einmal erklärt, würden viel zu viele Untergangsszenarien gezeigt und grauhaarige Leute in grauen Anzügen über das wahre Leben reden.
»Ich bin jeden Tag der Woche für Vaterschaftstests oder einen schön grausigen Mord«, hatte Grace Sophie mitgeteilt.
Als Grace Tregowan zum ersten Mal geflucht hatte, war Sophie ziemlich schockiert gewesen. Sie hatte vergessen, dass kleine alte Damen einmal junge
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