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High Heels im Hühnerstall

High Heels im Hühnerstall

Titel: High Heels im Hühnerstall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowan Coleman
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Frauen gewesen waren, und sie vermutete, sie würde später, wenn sie einmal alt war, auch nicht einfach aufhören, so zu denken, zu fühlen oder zu fluchen. Sophie war dafür bekannt, dass sie hin und wieder das eine oder andere Schimpfwort in den Mund nahm – aber sie war bei Weitem nicht so vulgär wie Grace.
    Im Laufe der vergangenen sechs Monate hatte sie die 89-Jährige kennengelernt, und inzwischen konnte Grace sie mit ihren Flüchen nicht mehr schockieren. Grace hatte, um es gelinde auszudrücken, ein bewegtes Leben hinter sich: ein Leben voller Liebhaber, Gefahren, Sex und Ehemännern – vier an der Zahl. Vielleicht lag es ja an diesem von Leidenschaft angefüllten Leben, dass Grace so zufrieden war, ihre letzten Tage in der Pension Avalon zu verbringen und einen Privatsender zu schauen, während der kunterbunte Haufen ihrer geldgierigen Verwandtschaft, die sich nie die Mühe machte, sie zu besuchen oder anzurufen, verzweifelt auf seine Erbschaft wartete. Grace hatte Sophie bei einer ihrer ersten Unterhaltungen mitgeteilt, dass sie jetzt hauptsächlich deshalb am Leben bliebe, um »die Scheißkerle zu ärgern«, und da sie dank ihrer bewegten Karriere und ihrer Ehemänner genügend Geld besaß, um die Pensionsrechnung auf unbestimmte Zeit bezahlen zu können, tat sie genau das mit Stil und Würde, umgeben von Blümchenmuster und feinem Porzellan.
    »Was halten Sie von meinem Outfit?«, fragte Sophie, als sie zum Klang der ersten Takte der Begleitmusik zu Coronation Street den Aufenthaltsraum betrat. Sie drehte sich in ihrem perlenbesetzten hellrosa Chiffonkleid mit tiefer Taille und Perlenfransen am Saum, das sie auch an jenem Abend getragen hatte, als sie Louis kennenlernte, allerdings hatte es ihr damals ein bisschen besser gepasst als jetzt. Ihr Busen hatte in der Zwischenzeit mindestens eine Körbchengröße hinzugewonnen, und ihre Hüften und ihr Po zeichneten sich unter dem leichten Material deutlich gerundeter ab, sodass das Kleid einen oder zwei Zentimeter mehr vom Dekolleté preisgab und am Hintern enger anlag. Die Wirkung der Gewichtszunahme dank des Nachmittagstees mit Kuchen war nicht unbedingt nachteilig, hatte Sophie gedacht, als sie sich in ihrem Zimmer im Spiegel betrachtet hatte. Vielleicht lag es daran, dass Louis ihren Körper so sehr liebte, jedenfalls waren ihre Befürchtungen angesichts ihres Bauchumfangs oder der Tatsache, dass sie niemals Hüftjeans tragen könnte, in jüngster Zeit verflogen. Sophie hatte den Eindruck, in ihre Kurven hineingewachsen zu sein, als reagiere ihr Körper einfach auf ihre Lüste, und sie fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben in ihrer Haut richtig wohl. Sie kam sich weiblich vor – etwas, was sie niemals für möglich gehalten hätte, und wenn sie einen Grund für ihre Zufriedenheit nennen sollte, dann war sie letztlich auf zwei Faktoren zurückzuführen: Nachmittagstee mit Kuchen und Sex. In erster Linie Sex.
    »Sie sehen klasse aus, meine Liebe«, erklärte Grace, die Sophie musterte, als schätzte sie den Wert ihrer besten Kuh im Stall ein. »Wissen Sie, vor dem Krieg hatte ich ein ähnliches Kleid, 1938, wenn ich mich recht erinnere. Damals wohnte ich in Paris, am Montparnasse, mit einem Maler namens Jacques Bellaconti zusammen; ein wunderbarer Mann mit Riesenpenis, aber er setzte sich für etwas Schlechtes ein. Er war Kommunist, und ich habe noch nie einen Kommunisten mit Humor getroffen. Er behauptete, Surrealist zu sein, aber eigentlich hatte er kein Talent. Trotzdem, Jacques hatte schöne Hände, und er wusste, was er mit ihnen anzufangen hatte …« Grace verstummte, und Sophie hatte den deutlichen Eindruck, dass die alte Dame sich zumindest an einen Teil seines Körpers in Aktion liebevoll erinnerte. »Ich hatte jedenfalls ein Kleid genau wie dieses, allerdings war ich spindeldürr – ich war nur Haut und Knochen. Das entsprach dem damaligen Schönheitsideal. Jacques fand mich jedenfalls schön, und er hatte es immer am liebsten, wenn ich gar nichts anhatte. Ich vermute, bei Ihrem Freund ist es genauso.«
    Sophie nickte zerstreut und betrachtete sich dann erneut in Mrs Alexanders Spiegel mit Goldrahmen.
    »Stimmt, eigentlich, aber angesichts der Tatsache, dass Nacktheit in einem Restaurant nicht allzu angesagt ist, meinen Sie, dass dieses Kleid passend ist? Das ist unsere erste richtige Verabredung seit … na ja, seit ich hierher gekommen bin.«
    Grace lächelte Sophie an, ihre Augen waren noch immer klar und strahlend. »Sie sehen

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