High Heels im Hühnerstall
danach, jedem, der sie über den Lärm hinweg hören konnte, zuzubrüllen, dass die Musik zu laut war und die Texte keinerlei Sinn ergaben. Außerdem gab es nach Sophies Meinung nur zwei Gründe, sich in einem großen Saal voller verschwitzter Männer und schlechter Musik aufzuhalten: Entweder man wollte irgendjemanden finden, mit dem man Sex haben konnte, was sie vor Louis nie zu tun geneigt gewesen war und jetzt erst recht nicht vorhatte, oder sich richtig volllaufen lassen, was unter eine Subkategorie von Gründen fiel, die alle unter der Überschrift »Was ich vergessen will« zusammengefasst werden konnte.
Das wirklich Ärgerliche war, dass Sophie, sobald sie ihren großen Wodka Red Bull in der Hand hielt, ihn nicht mehr trinken wollte. Vielleicht lag das daran, dass sie in Ye Olde Tea Shoppe ein Éclair zu viel gegessen hatte, doch schon ein Schluck ihres Drinks drehte ihr den Magen um. Sie fühlte sich in diesem Nachtclub also nicht nur deplatziert, sondern allem Anschein nach war sie auch eine Versagerin, wenn es darum ging, sich zu betrinken. Sie versagte sogar, wenn es darum ging, schlecht zu sein.
Zuvor hatte Cal, während er sie schminkte, gesagt, ihre Liebe zu Louis würde wohl bedeuten, dass sie auch seinen Ballast, sein Gepäck, akzeptieren und herausfinden müsse, ob und wie ihr das gelingen könnte.
»Das Problem ist«, hatte sie ihm erklärt, »dass ich manchmal den Eindruck habe, ich hätte überhaupt kein Gepäck, das Louis akzeptieren muss. Wenn unser emotionales Gepäck tatsächlich Gepäck wäre, dann bräuchte er sich meinetwegen nur mit einem halb leeren Kulturbeutel beschäftigen, während er mir ein Set von drei Koffern und einem Schrankkoffer aufladen würde, einen von der Größe, in die sogar eine Leiche passen könnte.«
»Na ja, es ist deine Schuld, dass du so lange wie eine Nonne gelebt hast«, hatte Cal erwidert. »Wenn du Louis liebst, wirst du auch sein Gepäck lieben müssen. Du musst es zumindest versuchen.«
Sophie beobachtete, wie Carmen und Cal miteinander tanzten, als wollten sie sich jeden Moment eine düstere Ecke suchen, um wilden Sex zu haben, und sie sahen beide großartig aus. Carmen war schnell nach Hause geflitzt, während Cal darauf bestanden hatte, dass Sophie sich richtig schick machte, und sie war nach kaum einer halben Stunde in einem rückenfreien schwarzen Neckholdertop und hautengen Jeans aufgetaucht, zu denen sie hübsche Stilettos trug. Als Carmen und Cal sich im Tall Trees Club auf die Tanzfläche geschlängelt hatten, waren ihnen mindestens zwei Sekunden lang sämtliche Blicke gefolgt, und viele Gäste beobachteten sie noch jetzt, wie sie tanzten. Sie waren ein fantastisches Paar und bewegten sich zu der fremd klingenden Musik, als wären sie schon ihr ganzes Leben lang zusammen, und als Carmen Cal tatsächlich auf eines der Podeste gezerrt hatte, war den beiden sogar kurz Applaus gespendet worden.
Sophie seufzte und setzte sich auf dem Barhocker so hin, dass sie der Tanzfläche den Rücken zukehrte. Sie konzentrierte sich auf ihren Drink. Sie musste sich wirklich betrinken; wenn sie sich vielleicht die Nase zuhielt und den Drink in einem Zug leerte … Schon bei diesem Gedanken drehte sich ihr der Magen um.
»Darf ich dir einen Drink spendieren?« Sophie nahm die Frage vage wahr, während sie in ihr Glas stierte und sich fragte, welches alkoholische Getränk sich wohl mit übermäßigem Genuss von Cremetorten vertrug. Vielleicht ein Weinbrand? Nein, allein der Gedanke führte schon dazu, dass sie sich beinahe übergeben musste.
»He, du da, ich habe gefragt, ob ich dir einen Drink spendieren darf?« Mit Verspätung wurde Sophie klar, dass die Frage an sie gerichtet war.
»Wem, mir?«, fragte sie und blickte zu einem jungen Mann mit dumpfem Gesichtsausdruck auf, der sich gegen die Bar lehnte und sie eindringlich ansah, wie ein Hund, der hoffte, er könnte durch reine Willenskraft ein Stück Fleisch vom Tisch in sein Maul zaubern.
»Ich sehe hier sonst niemanden«, antwortete der Mann. Er lächelte bei seinen Worten, aber sein Lächeln war alles andere als freundlich. »In der Zwischensaison ist die Auswahl mau.«
»Sie verstehen es wahrlich, einer Frau das Gefühl zu geben, begehrenswert zu sein«, stellte Sophie fest. Sie warf wieder einen Blick auf die Tanzfläche, doch Carmen und Cal waren nirgends zu sehen. »Sie wollen mir doch gar keinen Drink spendieren. Ich bin verlobt, und außerdem bin ich mit meinen Freunden hier.«
»Ist mir egal,
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